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Die Hauptstätter Strasse und das neue Mobilitätskonzept

13. Juni 2007 von H. Wittmann

Man wird mit Recht nach dem Konzept fragen, das hinter der Sanierung der > Hauptstätter Straße steht. Gunter Kölz und Roland Ostertag, die beiden Autoren dieses Konzepts, das ich auf diesem Blog vorstellen möchte, haben ihr Mobilitätskonzept zum Dreh- und Angelpunkt der Sanierung der Hauptstätter Straße und darüberhinaus bis zur Willy-Brandt-Straße gemacht.

In ihrer Broschüre zu diesem Projekt stehen grundsätzliche Aussagen, die als Merksätze für die zukünftige Planung verstanden werden sollten. In Ihren Zielen für die Stadtpolitik und Stadtplanung heißt es: “Stadtpolitik und ?Planung muss die Integration der wesentlichen Aspekte zum Inhalt haben. Einzelbetrachtungen und ?Lösungen führen zu weiterer Segregation und Separation. Verkehr (zum Beispiel) ist ein Aspekt unter anderen, ist Teil eines Mobilitätskonzepts und dieses ist Teil eines Stadtentwicklungskonzepts,” und “die zukünftigen städtischen Mobilitätsbedürfnisse dürfen nicht durch den motorisierten Individualverkehr dominiert werden.” Ihre Hauptforderung, mit der der Grundgedanke ihrer Studie zusammengefasst wird lautet: “Sämtliche Funktionen der ?städtischen Mobilität?, das gesamte (Haupt-) Verkehrssystem (Automobil, Fußgänger, Radfahrer, Schiene) der Stadt müssen (wieder) auf einer Ebene, der Ebene ?Stadtboden? stattfinden, sämtliche Funktions- und Raumstrukturen, Mobilitätselemente müssen in ?qualitätsvoller Verträglichkeit? niveaugleich zusammengefügt werden.” Die Folgen dieser Überlegungen führt zu diesem Schluß: “Der Stadtboden gehört allen. Zu einem neuen Mobilitätskonzept, weder Untertunnelung, noch Überdeckelung, sondern zuschütten und überbauen.”

Ich möchte das Prinzip dieser Überlegungen mit zwei Beispielen und einigen Fotos verdeutlichen. Die Straße Vieux marché au vin in Strasbourg – hier ein Blick – bevor ich die CD mit den Farbfotos aus dieser Straße wiederfinde – über die Schulter des Straßenbahnfahrers:

/fotos/strasbourg-1.jpg

hat für den Verkehr insgesamt 8 Spuren reserviert. Von links nach rechts: Füßgänger, parkende Autos, Fahrräder, 2 Spuren für die Straßenbahn, Autos, parkende Autos, Fußgänger. Alle Spuren sind durch keine Erhöhungen o.ä. voneinander getrennt. Alle Verkehrsteilnehmer können mit Einschränkung natürlich der Tram die Wege der anderen Verkehrsteilnehmer mitbenutzen, wobei, die Autos nicht auf den Gehweg kommen können. Aber der Raum der Straßenbahn steht zum Erreichen der Parkplätze zur Verfügung. Der Vergleich mit Stuttgarter Verhältnissen erübrigt sich, da hier die Wagenzüge anders konstruiert sind und ein ebenerdiges Einsteigen nicht zulassen. Dennoch sind derlei mißliche Umstände kein Grund, sondern erst recht eine Aufforderung, sich mit alternativen Konzepten auseinanderzusetzen.

Der > Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt ist ein feines Beispiel dafür, wie die Verkehrströme – durch die Bauvorschriften? -getrennt werden.

Fußgänger, Fahrradfahrer sind nicht vorgesehen, Autos und Busse, sowie die Straßenbahnen haben ihre eigene Räume, die sie mit ihren jeweiligen Geschwindigkeiten auch verteidigen.

Leider ist die Bushaltestelle durch viele Stangen und einen Überweg über 4 oder 5 Spuren vom Aufgang zur Straßenbahnhaltestelle getrennt. Früher befand sich die Bushaltestelle neben der Straßenbahn. Nach der Umgestaltung des Platz müssen die Fußgänger an der Ampel zusehen, wie ihnen die Bahn auf der anderen Seite unerreichbar jenseits der Barrieren vor der Nase wegfährt.

Die kompromisslose Trennung aller Verkehrsteilnehmer wohl aus Vorschrifts- und Sicherheitsgründen führt zu einer Verringerung der Vorsichtsmaßnahme und zur Nutzung der eingebauten Vorfahrt. Die Geschwindigkeit, mit der Autos an den wartenden Fußgängern besonders in der Kurve beim Eingang zur Marktstraße vorüberrauschen, versetzt diese immer wieder in Angst und Schrecken. Kaum vorstellbar, daß die Planer dieses Platzes dies alles beabsichtigt habe. Man sieht dem Platz förmlich an, wie jeder bessere Entwurf durch Auflagen bis zur Unkenntlichkeit verändert worden ist. – So weit diese Beispiele zum Thema Trennung der Verkehrsströme.

Natürlich kann man da schon mal neidisch zu unserer Partnerstadt nach Straßburg gucken, wo der öffentliche Stadtraum – bis auf die nun wirklich notwendigen Einschränkungen – allen gehört. Die Autos werden geduldet und die Straßburger haben es geschafft, den wichtigsten Knotenpunkt der Stadt, la place l’homme de fer – > Karte – in erster Linie für die Fußgänger zu reservieren.

Straßenbahnen dürfen dort auch fahren.

Mit jeglicher Untertunnelung oder Überdeckelung würde man in Stuttgart die Verkehrsströme noch weiter voneinandertrennen und den dann noch zur Verfügung stehenden Stadtraum mit aufwendigen Wegen zur Zusammenführung der Verkehrswege verschwenden. Die Auf- und Abfahrten, mit denen die Brauser sich in die Spuren der Stadtautobahn einfädeln oder diese mit gewagten Bremsmanövern verlassen sind eigentlich unnötig und könnten besser genutzt werden. Im oben angezeigten Plan sind solche Spuren nicht notwendig. Ein Blick auf die

(der neue Überweg fehlt noch auf dem Bild) und > auf die Karte zeigt wie die Gestaltung der Verkehrsströme, die allein das Auto bevorzugen, immer wieder zum Stau führen muß.

In Ihrem Exkurs zum Verkehr schreiben Gunter Kölz und Roland Ostertag Grundsätzliches zum Thema Verkehr:
“Die rein verkehrsorientierte Stadtplanung ist genauso wie die rein wirtschaftsorientierte Politik nicht mehr gerechtfertigt, sie gehört, wie die beginnenden fachlichen Diskussionen, z.B. zum Thema Mobilität/Verkehr, zur Umweltkrise, die Bundestagswahl 2oo5 und die Ereignisse danach gezeigt haben, der Vergangenheit an. Weder die Stadtplanung noch die Wirtschaft lassen sich wie mit einem Schalter ein- und ausschalten/ bedienen. Die Ideologie, Vorstellung, es gebe den isoliert zu betrachtenden Verkehr, eine Art selbständiges, unbeeinflussbares Wesen, wie die Schwerkraft, auf das mit Bitten und Beten, mit Freiwilligkeits-Appellen und Selbstverpflichtungen erzieherisch eingewirkt werden kann, hat getrogen, entspricht nicht der Realität. Verkehr ist zu einem isolierten, isolierenden Phänomen, weitgehend zum Selbstzweck geworden. Die (Stadt-) Politik darf sich nicht weiterhin ausschließlich als ?Steigbügelhalter? oder gar ?Anwalt? des automobilen Verkehrs verstehen. …”

Der Lesetip: DIE ZEIT zum Thema Bausünden >Boulevards des Nichts
“Es gibt viele Arten, Städte zu zerstören: Durch Erdbeben und Wirbelstürme, durch Bomben, Brände und Wasserfluten. Oder durch Stadtautobahnen. Eine Bildergalerie von Benedikt Erenz (Text) und Martin Luther (Fotos)” .

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