Beim Durchblättern der letzten Ausgaben der DUZ findet man einen Artikel von Benjamin Lahusen > “Hän Sie koi Luschd?” DUZ, 20. Juli 2012, der einige wichtige Erkenntnisse über das Schwäbische vermittelt.
“Schwäbisch fördert die Karriere an der Hochschule eher weniger. Bestenfalls noch als sogenannter Honoratiorenschwabe aus dem Raum Stuttgart kommt man gut durch. In der Wissenschaft wird eben nicht geschwäbelt und wenn, dann bitteschön mit schlechtem Gewissen,” so fängt Lahusen seinen Artikel an.
“Aber der Honoratiorenschwabe weiß, dass er mit seiner Mischsprache außerhalb der Heimat kaum als gesellschaftsfähig gilt. Was zuhause den feinen Ton der gehobenen Stadtbevölkerung mit gemütlicher Bodenständigkeit verbindet, klingt in der Fremde lediglich kleinbürgerlich und provinziell.” Stimmt das wirklich? Sieht und hört man bestimmte bodenständige Politik im TV, achtet man unweigerlich schnell mehr auf ihre Herkunft, als das was sie zu sagen haben. Lahusen kennt sich aus: “Ein kehliges R in gerne, ein breites Sch in Ballaschd, ein nasales A in Andere, und schon sitzt der Honoratiorenschwabe wieder in seinem Niemandsland zwischen Natur- und Kultursprache,…” Oft fehlt bei Verben ein “n”. Buchstaben werden weggelassen…
Johann Christoph von Schmid, > Schwäbisches Wörterbuch mit etymologischen und historischen Anmerkungen, Stuttgart 1831, S. VIII.
“Höckschdleischdungen” gibt es hier. Fleiß, Finten, Ordnungssinn und die Erfundung des Autos. Und die Kehrwoche, die hier schon ein lange Tradition hat:
Karl Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart. Teil 2, Stuttgart 1846, S. 202.
“Neugier und Entdeckerlust, Disziplin und Strebsamkeit, dazu Umsicht und maßvolle Risikobereitschaft,” nennt Lahusen als günstig für das Schwabenland. Stimmt, damit bin ich bisher hier gut gefahren.
“… die Geischdeswissenschaften?” passen mit der hier üblichen Mundart nicht so recht zusammen: “Man stelle sich nur vor, Hegel, selbst ein Stuttgarter, hätte permanent einen Weltgeischd beschworen. Oder sein Zimmernachbar im Tübinger Stift, Friedrich Schelling, hätte den Lesern aufgegeben, dem Menschhen soi Wille als oi Band von lebendigen Kräfthen anzomsehen. Oder der dritte berühmte Wohnungsgenosse, Friedrich Hölderlin, hätte es für ôglaublich gehalten, dass der Mensch sich vor dem Schönschden fürchthen soll, aber zugleich bedauernd geseufzt: Aber es ischt so.” Gottseidank. Sie haben sich alle Schirftdeutsch geschrieben.
Und dann untersucht Lahusen, ob nicht doch im mündlichen Diskutrs ein wenig geschwäbelt wird: “Der Diskurs selbst findet in hochdeutscher Schrift statt, aber die Diskursbedingungen werden mündlich ausgetragen.”
Die Analyse wird richtig wissenschaftlich: “Also teilen sich die Forscherschwaben in drei Gruppen. Man könnte sie als Echtschwaben, Tarnschwaben und Weltschwaben bezeichnen (eine vierte Gruppe, die der Urschwaben, ist mangels intersubjektiver Verständlichkeit ohnehin von wissenschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen).” Man kennt und erkennt sich untereinander, und das hilft beim Networking.
Lahusens Schlußfolgerung: “Schwaben genießen kein Dialektprivileg.” Müssen sie wirlich “ihre linguistischen Besonderheiten besonders ängstlich” verbergen? “…Weil sie in vielen Nachbarländern als Synonym für alle schlechten Eigenschaften der Deutschen überhaupt verwendet werden. Oder weil Schwaben zwar als fleißig, aber auch als geizig und engstirnig gelten.”
Lahusen kann auch alles von oben betrachten: “Seit ein paar Semestern diene ich an der Universität Rostock und bin dort durch größtmögliche Distanz von meiner Heimat getrennt. Ein sonniges schwäbisches Gemüt trifft auf maulfaule und unterkühlte Norddeutsche.” Seiner Überzeugung: “Dialekt geht immer,” AUsdruck verleihend: “Hen Sie koi Luschd?, frage ich dann in die gelangweilte Stille hinein und kann mir sicher sein, dass für die nächsten zehn Minuten Aufmerksamkeit herrscht.”
Anton Birlinger, > Schwäbisch-augsburgisches Wörterbuch, München 1864
Johann Christoph von Schmid, > Schwäbisches Wörterbuch mit etymologischen und historischen Anmerkungen, Stuttgart 1831.