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Durchgelesen: Das Lexikon der sperrigen Wörter

2. November 2010 von H. Wittmann

Als am 23. Oktober > Christophe Marchand-Kiss seinen Artikel > Encombrant aus dem dem jüngst in der Reihe Literatur der Akademie Schloß Solitude erschienenem > im Literaturhaus Stuttgart vorlas und als dabei das Vorwort der Brüder Grimm zu ihrem Wörterbuch – die Zettel, die wie Schneeflocken auf den Tisch herabrieseln – gelobt wurde, kam ich auf die Idee über meine > Zettelkästchen etwas zu schreiben.

Aus Anlaß ihres zwanzigjährigen Jubiläums hat die Akademie Schloss Solitude in Kooperation mit dem Literaturhaus Stuttgart 140 Autoren (Stipendiaten, Juroren, Mitarbeiter und Gäste der Akademie) gebeten, über ein »sperriges« Wort in ihrer Muttersprache zu schreiben und dabei eine Gattung ihrer Wahl zu nutzen: in Gestalt einer Definition, einer Geschichte oder eines Essays, als Prosa, dramatischer Text oder in Gedichtform. »Sperrige« Wörtern sind Wörter, die sich nicht leicht erklären lassen, die Widerstand leisten, die unverständlich, widersprüchlich oder unübersetzbar sind. Das Lexikon versammelt 193 Beiträge (Originalsprache und in deutscher Übersetzung ) in 13 Sprache. Die Schweizer Künstlerin Sandra Boeschenstein bereichert das Lexikon mit Zeichnungen zu 20 von ihr ausgewählten Begriffen.

Nun trage ich ich auch seit ein paar Tagen das > Lexikon der sperrigen Wörter mit mir herum. Und es ist das Allerbeste, was Sie auf ihre nächsten S-Bahn-Reisen mitnehmen können. Wenn wir jetzt in einem Café zusammensitzen würden, würde ich einfach mal bei A anfangen vorzulesen. So wie > Christophe Marchand-Kiss seine Eintrag Encombrant im Literaturhaus vorgelesen hat. Stattdessen schreibe ich hier einfach mal auf – in alphabetischer Reihenfolge – welche der Einträge bereits zu meinen Lieblingsartikeln geworden sind: Artiste/Künstler (Martin Page), Bilderflut (Jan Altmann), Bürgerbegehren (Ulrike Syha), Conation (George Tony Stoll), > Encombrant/Sperrig (Christophe Marchand-Kiss), Kreativität (Ivan Mijatovic), Kultur (Michale Hutter), Unendlich (Yang Lian), Newness/Neuheit (Pedro Dolabela Chagas), Picturesque/Pittoresk ( Jonathan Hill), Realism/Realismus (Dan Sociu), seltsam (Judith Fischer), Gedicht (Wang Jiaxin), Skurril (Kathinka Dittrich van Weringh), Unterirdisch (Fabian Goppelsröder) und Mein Venedig (Alexej Parin). Geschlechtsverkehr (Susanne Heimgartner und Carolyn Sittig) ist auch mit dabei. Nein Verzetteln (Anne Vollenbröker) tun wir uns hier nicht, alle Autoren bleiben bei der Wahrheit (Dirk Schulte), da bleibt kein Zweifel (Matthias Böttger).

Die Sammlung der Beiträge ist so anregend, und die Inhalte weisen weit über dieses Büchlein hinaus. Schon der Videofilm mit > Christophe Marchand-Kiss zeigt, was man in z.B. in der Schule mit kurzen eigenen Texten machen könnte: Laut lesen: Welcher Schüler hat in seiner Schullaufbahn denn mehr als 10 seiner eigenen Texte laut vorgelesen? Ein Buch ist doch dann richtig gut, wenn der Leser darüber hinausgehen gehen will, dazu angeleitet wird, die eigene Phantasie zu nutzen, um neue Horizonte zu entdecken. Das Buch und seiner Autoren schärfen die Sinne für manches Selbstverständliches. Natürlich fordern einige Beiträge zum Widerspruch heraus, sie sind zu kurz, oder zu lange, oder treffen vielleicht nicht den Punkt. Aber solche Beiträge braucht das Buch wie die Suppe das Salz. Und Ihre persönliche Auswahl? Wahrscheinlich wird die ganz anders. Aber wie gesagt, beim S-Bahnfahren schafft man je nach Reiselänge 5-8 Beiträge, das Vorbeifahren an einer Station miteingerechnet. Wenn Sie das Buch auswendig können ganz durchgelesen haben, werden Sie vielleicht anfangen, Ihre eigene Liste von sperrigen Wörtern aufzulegen. Meine Sperrigen Wörter: Strukturreform (man refomiert die Struktur und belässt es dabei, passt immer?), pour-soi Sartre), Überwerfungsbauwerk, (wo? was ist das?), (à suivre)

< Heute abend ins Literaturhaus! Wir sehen uns? Heute abend, Dienstag, 2. November 2010, um 20 h lesen > Yang Lian, Nora Iuga, Pauls Bankovskis, Paola Balzarro ihre Beiträge aus dem Lexikon der sperrigen Wörter und am Dienstag, 9.11. um 20 Uhr lesen > Anja Utler, Sabine Peters, Grazia Pergoletti, Tim Krohn ihre Beiträge.

Florian Höllerer, Jean-Baptiste Joly (Hrsg.)
> Lexikon der sperrigen Wörter
Akademie Schloss Solitude
* Hardcover
* 320 Seiten
* Preis: 24 Euro
* Sprache: 13 Sprachen, alle übersetzt ins Deutsche
* ISBN: 978-3-937158-54-9

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