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Stuttgart – das neue Herz Europas
und die Geisteswissenschaften

4. Juni 2009 von H. Wittmann

Wieder einmal gibt es an der Stuttgarter Universität einen Versuch, die Geisteswissenschaften abzubauen. Medienberichten zufolge sind die Alte Geschichte, Mittlere Geschichte, Kunstgeschichte, Romanistik und Anglistik sowie mit fünf Professuren die Betriebswirtschaftslehre (BWL) und die Volkswirtschaftslehre (VWL) betroffen. Das Rektorat der Universität will 16 Professuren aus den Geistes- und Wirtschaftswissenschaften und acht Professuren aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften streichen, wie Rektor Wolfram Ressel, dies auf einer Pressekonferenz am 4. Juni ankündigte. “Masterplan” heißt das Vorhaben und soll das naturwissenschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Profil der Stuttgarter Uni als Forschungsuniversität schärfen. Laut der Stuttgarter Zeitung sollen die Lehramtsstudienplätze erhalten bleiben, es wird aber von “Arrondierungen” gesprochen. Dazu passt es, dass man versuchte, die Streichpläne erst einmal geheim zu halten, wohl um auszuloten, wie weit man gehen kann, bevor die Proteste beginnen. Schon wird von der Exzellenzinitiative II gesprochen, an der die Uni teilnehmen möchte.

> Uni Stuttgart schränkt Geisteswissenschaften ein, SWR, 4. Juni 2009:

Der SWR berichtet, die 50 Studenten, die die Pressekonferenz stürmten, hätten “Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut” gerufen

Ohne eine Stärkung der Geisteswissenschaften, ohne eine Exzellenzinitiative auch in den Geisteswissenschaften, die die Landeshauptstadt dringend benötigt, bleibt das neue Herz Europas hohl und blutleer. Der Versuch, die Geisteswissenschaften zu beschneiden, ihre Bedeutung herunterzuspielen, ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Reste lediglich geduldet werden, anstatt sie als das notwendige Fundament in ganz besonderer Weise zu fördern, nimmt allen neuen Exzellenzinitiativen jede Glaubwürdigkeit.

Die Einführung der Studiengebühren, die Verknappung der Lehre und der Versuch, die Geisteswissenschaften wieder einmal zu beschneiden und gleichzeitig an die Spitze rücken zu wollen, das passt alles nicht zusammen.

Die Universität begibt sich auf den falschen Weg. Die Aufwertung der Geisteswissenschaften und die Intensivierung ihrer Verbindungen mit allen anderen Disziplinen sollten auf der Tagesordnung stehen. Dann ergibt sich Exzellenz ganz von selbst und muss nicht auf dem Weg über Kahlschläge und Enttäuschungen mühsam neu definiert werde.

Es wird schon nicht so schlimm kommen? Nur die Neuere Geschichte soll bestehen bleiben? Und der Rest? Und die Romanistik? Sie soll wieder hier einmal abgeschafft werden? Und die Anglistik? Die Kunstgeschichte? Hoffentlich haben ihre Abschaffer in dem Potential dieser Fächer sich noch einmal nur geirrt. Die > Romanistik reicht von Machiaveilli bis Sartre und an beiden Enden weit darüber hinaus. Ihre Absolventen bekommen mit Linguistik, Literatur und Kulturwissenschaften einen so weitreichenden Horizont mit auf den Weg, der sie schon während des Studiums befähigt, sich gegen eine Unterbewertung ihres Faches zu wehren. Im übrigen steht auch der internationale Ruf der Stadt auf dem Spiel. Man möchte doch hier so gerne zum Herz Europas werden. Dieses Ziel lässt sich aber nicht durch Bauwerke und Tunnel erreichen, die Stadt muss auch intellektuell ein Magnet werden. Die Reduzierung der Geisteswissenschaften bewirkt das Gegenteil.

> Strukturreform an der Uni

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