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Zwitschern (auf neudeutsch twittern) mit 140 Zeichen

20. September 2010 von H. Wittmann

TwitterEs ist nicht ganz einfach, sich immer kurzzufassen. Manchmal hat man soviel zu erzählen, manchmal ist der Sachverhalt kompliziert, manchmal wird eine ausführliche Antwort verlangt, manchmal ist der Gegenstand sooo enorm wichtig. Beim genaueren Hinsehen stimmt das alles vielleicht gar nicht mehr. Das Zwitschern oder neudeutsch twittern in 140 Zeichen ist zunächst sicher gewöhnungsbedürftig aber beschäftigt man sich ein wenig damit, lernt man, sich damit kurz und prägnant auszudrücken. Zugegeben, manche teilen nur ihre augenblickliche Befindlichkeit, ihren aktuellen Standort oder ihren Kaffeedurst in 140 Zeichen mit und langweilen damit ihre Leser oder wiederum neuddeutsch Fellower, die die ihre nochmal neudeutsch Tweets lesen. Aber Twitter ist auch ein Nachrichtendienst, der in Blitzesschnelle alle Interessenten informiert, wenn plötzlich irgendwo mal eben ein Baum, den man leibgewonnen hat, gefällt wird. Oder Twitter ist auch ein Sprachrohr für die politische Partizipation geworden, woraufhin die Parteien, die noch im letzten Wahlkampf Web 2.0 total unterschätzt hatten das > politische Twittern immer mehr entdecken. 140 Zeichen reichen den Bürgern, um Zustimmung, Ablehnung oder Kritik kreativ auf die Reise in den Cyberspace zu schicken. Früher gab es alle möglichen Beamten und Agenten um der Regierung ein Meinungsbild aus dem Volk zu vermitteln. Heute reicht ein zusätzliches Symbol ‘#’ im Eingabefeld einer Suchmaschine, um > Blogs und > Blogs und mit dem Zwitschern in 140 Zeichen die > deutsch-französischen Beziehungen fördern oder > Unternehmensnachrichten und Informationen sinnvoll verbreiten kann. 140 Zeichen: “Klett Gruppe fördert Festival „#Zukunftsmusik“ Musiktheatralische Installation 5.-7.10. 2010 bei #Klett in Stuttgart > http://bit.ly/94L1L2“.

Jetzt ist bei PONS eine pfiffige > Twitter-Anleitung erscheinen. Kein lange theoretische Abhandlung, aber eine Sammlung mit 500 Kurznachrichten von über 230 Twitterern, ganz so wie das Leben dort zwitschert. Und wenn die Twitterlesungen > www.twitterlesung.de oder www.twitkrit.de besucht, braucht man keine weitere Anleitung, um Spaß am Zwitschern zu bekommen. Twittig und pfiffig zugleich, wenn @343marx nach Berlin ruft: “Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.” (S. 181) Warum steht die Politik im letzten Kapitel? ist doch klar, nach der Lektüre von 500 Tweets ist man so aufgedreht, dass man verstanden hat, wie diese > Twitter-Anleitung, würden sie von allen Wählern befolgt, künftige Wahlkämpfe durcheinanderbringen kann. Wie die Bürger reagieren oft zu spät auf Politikerideen, wie dies jüngst bei Anne Will im Spätfernsehen diskutiert wurde? Künftig werden Politiker aus Tweets manch nützliche Anregung beziehen können, um dann so zu tun, als wüssten sie genau, was dem Wähler gut tut. Vielleicht kauft manch ein Politiker auch diese Anleitung und wird dann seinen direkten Draht zu seinen Wählern neu spannen. Ach, ich höre schon die Frage, wer soll das alles lesen? So wie mancher sagt, wenn er nur das Wort Blog hört, ich habe gar keine Zeit das zu lesen. Aber das ist ja gerad die Kunst, via Blog und Twitter den Blogbeiträgen und deren Inhalten eine Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auf diesem Blog genügte ein Foto, um die Besucherzahl zu verdreifachen. Aber die Printmedien spielen noch immer ein nicht zu unterschätzende Rolle. Als die Stuttgarter-Zeitung damals den Link zu meiner Website mit den Fotos vom Abbruch im Morgengrauen der Häuser an der Willi-Brandt-Straße (heute hier: > Wozu braucht man Bauzäune?), veröffentlichte kamen an einem Tag 12500 Besucher und bescherten der Blogstatistik einen Ausreißer ganz weit nach oben. Dennoch darf man Twitter und Co. nicht unterschätzen. Sie lassen eine neue Form der Öffentlichkeit entstehen, deren Erforschung noch kaum angefangen hat. Vielleicht kriegt man ihre Analyse so richtig sachgerecht wirklich nur mit einer knappen Anzahl von Tweets hin. So wie eine Anleitung zum Twittern auch nur als eine Tweetsammlung erscheinen muss. Und wann twittern Sie? Allein in dieser Stadt gibt es dazu mannigfache Gelegenheiten: Wo gibt es den besten Kaffee? Welche Location eignet sich zum Treffen mit Freunden? In welchem Park kann man wunderbar spazierengehen? Wo ist gerad wieder was los? Wo und wann zu welchem Zweck kann man durch den Schloßgarten joggen? Oder @schlenzalot schickt allgemeingültige Aphorismen: “Bitte lassen Sie mich durch, ich bin schaulustig.” (S. 105) Oder was schrieb da gestern jemand? “Morgen steige ich wieder in meinen Bagger.”

Wahre und kuriose Tweets aus dem Web
Format: 13,5 cm x 19,5 cm, 128 Seiten, Broschur
ISBN: 978-3-12-010028-7

Erfahrungsberichte oder Beobachtungen aus und über die Twitter-Welt stehen hier:

> Twitter + Blogs = Politique 2.0 ou”l’instantanéisme” et l’hyperactualité changent-ils la politique?

> Twittern im Französischunterricht Lesen, sprechen oder zwitschern?

> Gazouiller politiquement ou le débat politique sur Twitter

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