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Archiv für die Kategorie 'Literatur'

Premiere im Schauspielhaus: Eva Jelinek, Winterreise

Donnerstag, 14. Juni 2012

Eva Jelinek, Winterreise
Premiere am Freitag, 15. Juni 2012 im
> Stuttgarter Schauspielhaus

Albert Camus, die Gerechten: Premiere in Stuttgart

Freitag, 18. Mai 2012

2013 jährt sich der Geburtstag Albert Camus‘ (1913-1960) zum hundersten Mal.

Das Stuttgarter Schuaspielhaus zeigt ab Samstagabend das Stück Die Gerechten von Albert Camus unter dem Titel Die Gerechten / Occupy
von Albert Camus unter der Regie von Volker Lösch.

Die Inhaltsangabe des Schauspielhauses: „1949 erschien Albert Camus’ DIE GERECHTEN nach einem realen Geschehen aus dem Jahr 1905: eine Gruppe russischer Sozialrevolutionäre hatte einen Anschlag auf den Onkel des Zaren verübt und diesen getötet. Camus fragt fast ein halbes Jahrhundert später nach den Möglichkeiten und den Grenzen politisch motivierter Gewalt. Fünfzig Jahre nach der Entstehung des Textes wiederum befragt die Inszenierung von Volker Lösch die aktuellen Versuche von Minderheiten, sich politisch zu artikulieren.“

Die Besprechung der Premierenaufführung steht auf dem Frankreich-Blog:
> Albert Camus: Die Gerechten / (+Lösch:) Occupy

Premiere: Samstag, 19.05.2012, 19:30 Uhr

> Schauspielhaus Stuttgart

> Die Gerechten / Occupy

Offensichtlich verbindet der Regisseur Volker Lösch die Aufführung des Stücks mit einer behutsamen Modernisierung des Stücks. Man darf gespannt sein. Es gibt noch Restkarten.

H. Wittmann, > Albert Camus. Kunst und Moral, Reihe Dialoghi/Dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs erschienen. Hrsg. Dirk Hoeges, Peter Lang, Frankfurt/M u.a. 2002. EUR 19.90 ISBN: 3-632-39525-6

Waren Sie schon mal in der neuen Stadtbibliothek?

Donnerstag, 26. April 2012

> Waren Sie schon mal in der neuen Bibliothek am Mailänder Platz?

Literatur ist doch gefährlich:

> Waren Sie schon mal in der neuen Bibliothek am Mailänder Platz?

La fête: 60 Jahre Institut français de Stuttgart

Dienstag, 17. April 2012

Das Institut français feierte am Freitag, 20. APRIL ab 17 Uhr seinen 60. Geburtstag.

> Das Fotoalbum der Freunde des Institut français.

Das Fest beginnt um 17 Uhr mit einer Versteigerung von Büchern aus der Mediathek. Anschließend können die Besucher ab 18 Uhr die Archivausstellung besichtigen, welche die vielfältige Arbeit des Institut français Stuttgart seit dem 20. April 1951 vorstellt.

De beiden Französinnen Marie-Pierre Roy (Sopranistin) und Delphine Henriett (Cellistin) begleiten durch das Programm.

Die Begrüßung der Besucher durch den Generalkonsul und Leiter des Institut français, Herr Michel Charbonnier, und Herr Dr. Michael Klett, stellvertretender Vorsitzende des Vereins der Freunde des Institut français, beginnt um 18:30 Uhr. Ab 19:30 Uhr interpretiert die Sängerin Carole Simon aus Paris zusammen mit dem deutsch-französischen William Lecomte Trio Klassiker der französischen Chansons als auch eigene Kompositionen.

Remy Martin legt ab 22 Uhr Klassiker der französischen Popmusik von den 60ern bis heute auf.

Bewirtung in Zusammenarbeit mit Monsieur Baguette und der Weinhandlung Kreis & Krämer

Das ganze Programm:

Institut français Stuttgart, Diemershaldenstr. 11, 70184 Stuttgart

Neue Architektur in Stuttgart

Donnerstag, 12. April 2012

Das ganze Dilemma, zwischen Alt und Neu zeigt das zweite Foto im Buch > Architekturstadt Stuttgart, das Amber Sayah für die Stuttgarter Zeitung und der Belser Verlag herausgegeben hat: Vor dem Abriss des Nordflügels hält ein Demonstrant ein Schwarzweiß-Foto von Paul Bonatz, der bekümmert den Betrachter ansieht, empor; vielleicht ist das Foto auch nur eine Fotomontage. In Stuttgart sind schon öfters wichtige Bauten abgerissen worden, um Platz für neue architektonische Ideen zu schaffen. Das Kronprinzenpalais, das Kaufhaus Schocken, (hier: S. 131-134) das Steinhaus, die Ruine des Rathauses, die beiden Bahnhofsflügel zählen zu diesen Erinnerungen, die nur noch auf Fotos zu sehen sind. Stuttgart hat Probleme mit dem Denkmalschutz und seiner Vergangenheit und somit kein rechtes Verhältnis zu seiner Geschichte.

Würfelspiele, innen und außen lautet die Überschrift des Kapitels, das über die neue > Stadtbibliothek am Mailänder Platz berichtet. Die merkwürdige Distanz zum Buch, die in dieser Bibliothek seltsamerweise die Besucher so verzückt: „Der terrassierte Galeriesaal ist Architektur-Architektur…“ (S. 13), schafft einen Unterschied, zwischen den Büchern im Wilhelmspalais mit den traditionellen Regalreihen und jetzt der „Büchern und Besuchern eine prachtvolle Bühne bereitende Bibliothek“. (S. 13)

Das2009 fertiggstellte Haus der katholischen Kirche bekommt die Überschrift Promenadenmischung mit Mission. Dann das Schmuckstück am Schlossplatz: Schwabe mit reichem Innenleben heißt das Kapitel über das > Kunstmuseum mit der Stolpertreppe, das Rainer Hascher und Sebastian Jehle 2004 errichteten. Ein echtes Vorzeigeobjekt, auch wenn die Umgebung sich noch nicht so recht an den Bau gewöhnt hat. „Die Rückseite finde ich interessanter, weil sie in den Platz eingefügt ist. Ich finde ja immer noch, dass der ganze Bau zu nah am Schloßplatz steht. Treppen vor dem Haupteingang hätten einladender gewirkt,“ stand 2007 auf diesem Blog. Es stimmt übrigens, dass das Mobile von Calder mit der Kulisse des Kunstmuseums jetzt endlich so richtig zur Geltung kommt:

Ein Haus, das Stadt macht steht über dem Beitrag, der den Entwirf für die Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek beschreibt, der von Lederer + Ragnarsdóttir + Oei 2015 fertiggestellt werden soll. Ob man das richtig macht, ihn direkt an die Straße zu stellen? Hier wird ein bestehendes Gebäude erweitert, und man darf gespannt darauf sein, wie beide Alt und neu sich miteinander unterhalten werden. Ich finde die WLB innen immer noch sehr zweckmäßig.

Das Mercedes-Benz-Museum und das Porsche-Museum (1) sind eher überkandidelte Schaubauten für die Werbung, wobei das Museum für die Autos mit dem Stern etwas systematischer Autogeschichte zeigt, während das andere Museum noch mehr mit der großen Verschiedenheit seiner Räume überraschen will. Hier gilts dem Automuseum berichtet über das Museum der Sammlung Mahle, das 2009 errichtet wurde. Ein besonderer Stadtbaustein, die Galerie Abtart in Möhringen ist weniger bekannt. Sie wurde 2009 fertiggestellt.

Aber in Stuttgart wird auch Altes renoviert: Die Modernisierung in Schwarz und Weiß ist mit dem Umbau der katholischen Kirche ist prachtvoll gelungen. Wieder ist der Beitrag vom Amber Sayha auch hier eine gelungene Aufforderung, sich diese Kirche einmal näher anzusehen. Zu Recht hat auch die ins Bild gesetzte Geschichte, die Errichtung der Gedenkstätte Zeichen der Erinnerung an den Bahngleisen, von denen die Stuttgarter Juden, SInt und Roma deportiert wurden, seinen Platz in diesem Buch. Warum wird aber nicht gesagt, dass Professor Ostertag den Verein „Zeichen der Erinnerung“ gegründet hat? Und mit Unterstützung des Vereins die Gedenkstätte gegen die Stadt durchgesetzt hat?

Das Weißenhofmuseum, das Baur-Areal, die Wohnanlage Weimarstrasse, das Wohnstift Augustinum, das Haus in der Seestrasse, das Wohnhaus Barth und das Hospiz St. Martin dokumentieren die Architektur im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, alle sind es gelungene Bauten, die eindrucksvoll beschrieben werden, die aber weit auseinanderstehen und zum Stadtbild in Stuttgart nur indirekt beitragen.

In der Tradition bester Ingenieurbaukunst heißt das Kapitel über die Neue Messe Stuttgart, in der mir wieder die besonders langen Wege in auffallen, die an den enormen Landschaftsverbruach dieses Projekts erinnern. Sie ist ja sicher auch auf Zuwachs ausgelegt. Das > Z-Up ist ein sehr gelungener Energiekick für die Heilbronner Straße, die ihn auch dringend nötig hat, den die Straße aber nciht so recht geniesßen oder verkraften kann, zu wenig passt der Bau zwischen die bisherige Bebauung. Auf der der anderen Seite wird sie von einer hohen vom ehemaligen Güterbahnhof getrennt. In diesem Viertel hat man eine Chance verpasst, das neue Stadtquartier zu seiner Umgebung sprechen zu lassen. Rund um den Mailänder-Platz entsteht eine schöne Insellösung.

Ein Hauch von Expressionismus zeigt die neue Domsingschule (2006). Kennen Sie das Gebäude? Gut, dass es dieses Buch gibt. Ein richtiger Bau und Architekturentdeckungsführer durch Stuttgart. Lesen wir weiter. Große Sorgfalt für kleine Leute verrät die Kindertagesstätte in Obertürkheim, wie auch das Katholische Kinderhaus St. Hedwig: Vor der Nase wachsen Walnüsse.

Danach kommt kommt der zweite Teil: Stadterkundungen mit Arno Lederer: Ein Gang über den Stuttgarter Marktplatz. Keine Spur von urbanem Boulevard heißt der Beitrag über die hässliche und unnütze Stadtautobahn, die die Stadt immer noch zweiteilt. Viel mehr Meile als Kultur.

Warum wird in diesem Beitrag nicht an die bekannten Pläne von Professor Ostertag erinnert, der eine Lösung für die Hauptstätter Strasse, sogar für die ganze Straße vom Marienplatz bis zum Neckartor, vorgelegt hat? Als wir am letzten Samstag in der Ausstellung zur Stadtentwicklung von Roland Ostertag > Stuttgart woher- wohin waren, sagte mein französischer Freund anerkennend, ohne Professor Ostertag würde in dieser Stadt noch viel mehr abgerissen werden:

> 14 Spuren sind zuviel

> Die Hauptstätter Strasse und das neue Mobilitätskonzept
> Die Bebauung der Hauptstätter Straße
> Stadtreparatur in Stuttgart (II): Die Hauptstätter Straße
> Alles zum Thema > Hauptstätter Straße auf diesem Blog

Leider wird die > Paulinenbrücke zwischen zwei Neubauten eingezwängt. Auf den Bauzäunen steht: Stuttgart wächst zusammen, das ist wohl eher spöttisch gemeint, das ginge nur, wenn die > Paulinenbrücke abgerissen worden wäre. Schade, das hat man verpasst, also werden die neuen Gebäude auf sich reduziert und nicht miteinandersprechen, weil zwischen ihnen die Autos hin- und herbrausen, und die Fußgänger weiterhin unerwünscht sind. Sind Sie schon mal auf der Parkfläche unter der Paulinenbrücke gewesen? Das ist auch Stuttgart. Es wird Zeit, das die Fußgänger die Stadt endlich zurückerobern.

Wo die Strassenhasser ihres Amtes walten ist der Artikel über das Bosch-Areal und die Liederhalle überschrieben. Von allen Überschriften in diesem Buch, ist sie am wenigstens gelungen. Hier fehlen übrigens Fotos vom geretteten Boschareal. Das > Literaturhaus ist nicht erwähnt und der Name von Roland Ostertag fehlt auch. Die Begehung und die Besprechung oder oberflächliche Kommentierung im Plauderton des Berliner Platzes vergisst auch den Namen von Roland Ostertag und ist im übrigen unnötig kritisch ausgefallen, während alle anderen Beiträge viel wohlwollender klingen. Bedenkt man sein Engagement für diese Stadt, ist das schon seltsam: > Was zeichnet eine lebenswerte Stadt aus?

Die Logik der Beziehungslosigkeit führt uns auf das S-21-Gelände. > kann man erfolgreich einen Stadtteil auf einem Reißbrett entwerfen?. Das ist immer schwer und das so gelobte Filetstück zwischen Heilbronner Straße und dem Schloßpark wird ein neuer Stadtteil für sich allein ohne Bezug zu den umliegenden Stadtquartieren entstehen. Bis jetzt fehlt noch der Charakter des Stadtteils. Es ist nicht sicher, ob die zeitweilig erscheinenden Besucher reichen werden, dieses Quartier mit Leben zu erfüllen. Hier macht es sich bemerkbar, dass Stuttgart kein richtiges Stadtentwicklungskonzept hat: > Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (IV).

Und dann folgt das Kapitel mit den Debatten, das die Diskussion um den > Stuttgarter Hauptbahnhof dokumentiert. Im Abschnitt Visionen äußern sich Fran Pesch, Arno Lederer, Stefan Behnisch, Tobias Wulf, Jürg Aldinger und Tobias Walliser zu den Zukunftsperspektiven für die Stadt Stuttgart. Pflichtlektüre für alle, die in dieser Stadt wohnen und sie besuchen. Aber auch viele Anreize für deutlichen Widerspruch. Aber auch die Visionen dieser Autoren täuschen nicht darüberhinweg, dass dieser Stadt ein Gesamtkonzept für die Stadtentwicklung fehlt. Hier und da wird gebaut. Es entstehen > riesige Einkaufsszentren und > die Innenstadt verkümmert: > Einkaufzentren sind kein Beitrag zu einer Stadtkultur. Hier wird zur Zeit mit dem Gerber und dem Einkaufszentrum am Mailänder Platz alles falsch gemacht und die Bürger können nur noch zusehen

Das Buch ist schön gemacht und es lädt ein nach Stuttgart zu kommen. Allerdings sind die ersten Kapitel (S. 1-98) Berichte über Einzelbauten, die in jeder andern Stadt auch stehen könnten. Es gibt keine Zusammenhänge zwischen ihnen, allenfalls nur thematischer Art. Aber auch in ihrer Summe präsentieren sie keine Vision der Stadt. Es ist richtig, die schönen neuen Bauten beweisen die architektonische Aufbruchstimmung in dieser Stadt, die aber ihre dringendsten aufgaben noch immer nicht erledigt hat:

> Warum wird die Kronprinzenstraße keine echte Fußgängerzone?

… und die > Hauptstädter Straße wird wohl mit ihren vielen unnützen Hin- und Herfahrten noch lange das ungelöste städtebauliche Problem Nr. 1 in dieser Stadt bleiben.

Amber Sayah
> Architekturstadt Stuttgart
Bauten – Debatten – Visionen
26,4 x 24,5 cm (LxB), 160 Seiten
130 Abbildungen
Fester Einband
ISBN: 978-3-7630-2616-6
Preis: € 29,95


H.W., Construire l’imprévisible. Une brève esthétique de l’architecture,
in: Recherches en esthétiques, Revue du C.E.R.E.A.P., Nr. 15, Novembre 2009, S. 73-80.
> www.france-blog.info/kultur/limprevisible-une-petite-esthetique-de-larchitecture

Alle Fotos: (c) Heiner Wittmann

Jean-Paul Sartre, Das Spiel ist aus
im Schauspielhaus Stuttgart

Mittwoch, 4. April 2012

Sartre schrieb das Drehbuch Das Spiel ist aus während der deutschen Besatzung Frankreichs. Zur Zeit wird das Theaterstück im > Schauspielhaus in Stuttgart aufgeführt.

Gekürzte Fassung der Besprechung, die 2012 im Jahrbuch der > Sartre-Gesellschaft erscheinen wird.

Auf der Bühne vor dem geschlossenen Vorhang erscheint Florian von Manteuffel mit einem bis auf die Fußknöchel reichenden schwarzen Pullover. Er sei Jean-Paul Sartre verkündet er und trägt dann eine Deutung des Satzes „Die Existenz geht der Essenz voraus…“. Später bekommt Sartre Gelegenheit, der alten Dame am Eingang zum Totenreich behilflich zu sein. Die Anmerkung des wiederauferstandenen Sartres, er sei Sartre, ein Metzger aus Chartres trägt dazu bei, was ein Theaterbesucher erfreut lobte, dass auf diese Weise die Schwere und die Tragik dem Stück sehr wohltuend genommen wird.

Der Vorhang hebt sich, und ein Bühnenkarussell setzt sich in Bewegung, das mit vielen Lichteffekten die verschiedenen Szenen nahtlos ineinander übergehen lässt. Als ein Klickern wie in einer nächtlichen Regenrinne erklingt, ist es für Eva schon zu spät, sie stirbt durch das Gift ihres Mannes. Im selben Moment wird Pierre von einem Mitverschworenen der Aufständischen erschossen. Beide erreichen zusammen den Tisch der alten Dame am Eingang des Totenreichs.


Das Spiel ist aus
Auf dem Bild: Matthias Kelle, Bijan Zamani, Michel Brandt, Till Wonka, Florian von Manteuffel
Foto: Matthias Dreher

Der Empfangstisch steht vor dem Vorhang, das Bild der Genesis-Gasse wurde bei dieser Inszenierung getilgt. Ob der Turban der alten Dame wirklich eine auf Simone de Beauvoir gemünzte Anspielung sein soll? Sartre assistiert ihr. Die Neuankömmlinge erfahren, dass sie vergiftet, bzw. erschossen wurden. Insoweit folgt das Stück hier der Vorlage. Simone de Beauvoir und ihr Lebensgefährte sind hier aber eindeutig fehl am Platze. Die vielen Verrenkungen, mit denen Sartre die beiden Gäste in das Totenreich begleitet passen nicht zum Ernst und der Nüchternheit der Aufnahmeprozedur, wie sie z.B. der Film von Jean Delannoy (1947) zeigt.

Wie kann die Stuttgarter Inszenierung geprüft oder bewertet werden? Texttreue? Szenerie? Handlung? Die schauspielerische Leistung? Der Aufenthalt von Eve und Pierre im Totenreich ist in dieser Aufführung gekürzt worden. Er spielt sich vor dem Karussell ab und wirkt in dieser Inszenierung wie eingeflickt. Der Verzicht auf ein eigenes Dekor dieser Szene, die Beibehaltung des Dekors der Oberwelt verniedlicht die Trennung zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Als Eva und Pierre sich körperlich einander nähern, ohne dass ihnen dies gelingen kann, werden beide vor die alte Dame zitiert, die ihnen die Anwendung des Paragraphen 140 verkündet. Eve und Pierre werden entlassen. Die Uhr wird zurückgestellt. Pierre darf mehrere Kugeln ausspucken und Eve nach dem Anheben des weißen Lakens über ihrem Gesicht lächeln und zur Verblüffung ihres Gatten sofort aufstehen.

Das Spiel ist aus
Auf dem Bild: Florian von Manteuffel, Nadja Stübiger, Sarah Sophia Meyer, Bijan Zamani, Till Wonka
Foto: Matthias Dreher

Beiden fällt es schwer, sich aus ihrer gewohnten Umgebung zu lösen. Pierre ruft Eva an, um ihr zu sagen, dass er noch einmal zu den Verschwörern eilen muss. Beide verpassen die Chance, innerhalb von 28 Stunden zueinanderzufinden. Das Stück illustriert Sartres Gedanken, dass die Menschen zur Freiheit verdammt sind, sie können sich immer neu entscheiden, ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als beständig eine Wahl zu treffen.

Die schauspielerische Leistung sollte ganz unabhängig von der zuweilen lauten Szenerie und der Übertreibung mancher Handlungsmomente bewertet werden. Till Wonka spielt Pierre Dumaine, den Anführer der Revolutionäre. Mimik, Gestik und die Geschwindigkeit, mit der er sich auf der Bühne bewegt, passen perfekt mit seiner Verblüffung zusammen, als er erfährt, dass ein Mitverschworener seinem Leben ein Ende gesetzt hat. Eve Charlier wird von Nadja Stübiger verkörpert, die von der feinen Dame auf subtile Weise viel verliert zugunsten ihrer Revolte gegen ihren Mann André Charlier (Rainer Philippi). Das Liebespaar Eve und Pierre vermittelt die Entschlossenheit besonders Eves, in der 24-stündigen Probezeit alles richtig zu machen. Ihr Wille zeigt den Handlungsspielraum, der dem Mensch bei der Gestaltung seiner eigenen Lage bleibt. Michel Brandt in den Rollen von Renaudel, ein Revolutionär, toter Soldat und Philippe ist ein Student der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellenden Kunst Stuttgart. Er passt sich glänzend in die Aufführung ein, wie auch Boris Koneczny, der als Regent und Eves Vater ohne Kompromisse die Brutalität des namenlosen Regimes zu erkennen gibt.

Doch trotz der so gelungenen schauspielerischen Leistungen darf nach den Gründen für mancherlei Klamauk gefragt werden. Die Lautstärke passt nicht zum Drehbuch, das seine Spannung genau aus dem manchmal geradezu leisen Ablauf zieht. Ist das Stück nur mit dieser Leichtigkeit, die, das muss hier konzediert werden, die Dramatik des Stück in keiner Weise angreift, einem größeren Publikum zu vermitteln? Will der Regisseur den Zeitgeist zeigen, unterwirft er Sartres Stoff einer so starken Veränderung, um die Unausweichlichkeit der Wahl noch besser illustrieren zu können? Die fehlende szenische Trennung von Oberwelt und Unterwelt konnte nur durch die vom Regisseur vorgetragenen Einführung im vorhinein ausgebügelt werden konnte. Die Welt der Lebenden kann auch die Welt der Toten sein, so ein Durcheinander könnte das Verständnis des Stücks ein wenig tangieren. Die eigentümliche Spannung dieser Szenerie geht in der Stuttgarter Inszenierung im Krach der Gegenwart unter. Dieses Detail rührt aber nicht am Verständnis des Stücks auf der Bühne. Sartrianer mögen etwas befremdet sein, sich aber dann doch über das volle Haus und die Anziehungskraft des Sartreschen Stückes freuen.

*** Unbedingt ansehen.

Weitere Termine:
8.04.2012 FÄLLT AUS – Wegen Erkrankung
20.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
24.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
28.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
10.05.2012 19:30 – 21:30 Uhr
17.05.2012 19:30 – 21:30 Uhr

Heiner Wittmann, > Sartre und die Kunst

Am Samstag, 19. Mai ist im > Schauspielhaus Stuttgart die Premiere des Theaterstücks von Albert Camus, Die Gerechten angekündigt.

H. Wittmann, > Albert Camus, Kunst und Moral
H. Wittmann, > Aesthetics in Sartre and Camus. The Challenge of Freedom.

Nicht verpassen:
Mark Z. Danielewski, Only Revolutions, am Mo 26.3.
im Stuttgarter Literaturhaus

Donnerstag, 22. März 2012

„Der Plymouth PG schüttelt alle, trägt UnS dahin, bis Rumtrödler unsere Eile fliehen.“ (S. 128/233)

Am Montag, 26.03.12, 20.00 Uhr war Mark Z. Danielewski zu Gast im > Stuttgarter Literaturhaus. Thomas Böhm hat den Abend moderiert: – > Mark Z. Danielewski ist der Autor von > Das Haus – House of Leaves. Er hat 2006 das Buch Only Revolutions. The Democracy of Two Setout & Chronologically Arranged geschrieben, das jetzt bei Tropen erschienen ist: > Only Revolutions. Die Demokratie von Zweien dargelegt & chronologisch angeordnet.

Der Fotofilm von der Lesung im Literaturhaus:

Geben Sie das Buch jemandem in die Hand und schauen Sie bei der erste Daumen- und Leseprobe zu: Man kann vorne anfangen, oder das Buch auch rumdrehen und von hinten anfangen. Zwei Jugendliche – Haley (Buch einmal rundrehen:) und Sam durchqueren den amerikanischen Kontinent und die Zeit. 2000 Jahre unterwegs, aber sie bleiben immer sechzehn. Vielleicht versuchen sie, Ihrer Zeit zu entfliehen. Die Weltgeschichte und die amerikanische Geschichten sind ihnen immer direkt und ganz dicht auf den Fersen. Bücher kann man antesten mit dem Vorlesen der ersten acht Seiten. Probieren Sie das mal, dann wieder das Buch herumdrehen. Sam: „Endlich entsprungen!“ „Allmächtige sechzehn Jahre alt und freiiiiii.“ und „Ich begrüße jedes Wagnis.“ „Hi. Ich heiße Sam,“ und der andere? „Mein Oldsmobile Tornado fliegt“ „Ich heiße Hailey. Hi.“ (Buch rumdrehen).

Was ist das für eine Textsorte, Was für ein Genre? Lyrische Poesie, auf jeden Fall mehr als ein Spiel nur mit Worten. Die Typographie, braune Buchstaben im Text, eingerückte Zeilen: „ich bin die Straße. Ich raße.“ Worterfindungen:

„Und ich schon ganz rattig
auf’n Lustsprung, ziehe
meine Firebird 400 hinüber
zur Purpurnen Trichterwinde, die wummert:
– Der Sommer ist da!“ (S. 59/302)

Sam und Haley können nicht voneinander lassen, während um sie herum die Geschichte weiterzieht. „Geräuschlos. Lahmgelegt.“ Und trotzdem erleben beide ihre Zweisamkeit ganz unterschiedlich: Buch wieder herumdrehen Dann brausen sie wieder weiter. Der BuickCenturySpecial rumpelt weiter, Stress im Progress.“ Sie wechseln die Autos. Der > Camaro LT lehrt die Faulen, warum der Juli niemals stirbt, während Sam nach Ohrenschmalz bohrt.“

Ziemlich viel Sex, „Meine sechzehnjährige Hailey lächelt,“ der aber auch wieder nur die Reise der beiden illustriert. Zwei Lesebändchen, für jede Leserichtung eins, aber die braucht man nicht, wenn man einmal das Buch aufgeschlagen hat, man klappt es nicht so schnell wieder zu: „Lassen Hasch und Alk kreisen….“ An Ulysses von James Joyce erinnert dieses Buch. Experimentelle Literatur? „Mein Model T klunkert weiter.“ Später ist es wieder ein DeSoto Six: Der DeSoto Six rumpelt weiter, außerplanmäßig, fahrzeugwesig. Allzeit hundtagsdösig.“ Automobilgeschichte, Fortbewegung, Geschichte in der Mittelspalte. Mnachmal klingelt der Kühlerverschlussdeckel „ohne Zwischenstopp“. „Kolbende Räder rollen und rallen.“ Genug. Danielewski wird uns Montagabend um 20 Uhr erklären, wie er daraufkam, so ein Buch zu schreiben, mit einer ihm so eigenen Syntax und den vielen Wortinventionen: „Wir dampfen weiter.“ Vergessen Sie das Umdrehen des Buches nicht. Die Schrift wird mit jedem Kapitel kleiner. Ein Kapitel laut vorlesen. Probieren Sie es aus. Dann lesen Sie die anderen Kapitel bestimmt auch. Das ist so.

Sie waren doch schon mal im > Stuttgarter Literaturhaus?

Mark Z. Danielewski
> Only Revolutions
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Gerhard Falkner und Nora Matocza (Orig.: Only Revolutions. The Democracy of Two Setout & Chronologically Arranged)
1. Aufl. 2012, 365 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, farbig gedruckt
ISBN: 978-3-608-50123-0

Lesung in Stuttgart:
Jasmin Ramadan, Das Schwein unter den Fischen

Freitag, 2. März 2012

Montag, 5.03, 20:00

Jasmin Ramadan las in Wurst&Fleisch, Rotebühlplatz 9, 70178 Stuttgart aus ihrem gerade erschienenem Band > Das Schwein unter den Fischen Es geht um die mehr oder weniger herzlichen Familienbande. Man wird dort hineingeboren und kann sich die Mitglieder nun wirklich nicht aussuchen. Ramadan führt das ganze Personal vor, eine Tante, nicht nur seltsam auch exaltiert und dazu liebestoll, die Stiefmutter mag bauchtanzen, der Vater kann von seinen Mentholzigaretten einfach nicht lassen, und die Katze frisst Zwiebelmett und schnurrt danach nicht mehr und auch nicht wieder.

Und Stine? Sie versucht sich mit allen zu arrangieren. Immerhin ihr Vater Reiner Fehrmann schafft es nach dem Tod seiner geizigen Mutter sich einen eigenen Imbiss aufzubauen. Und das Zwiebelmett wird sein Hit. Ramona, Tochter einer Tankstellenpächters , wird sein große Liebe. Stines Mutter hatte sich sich nach ihrer Geburt verzupft. Für den Imbiss fühlt Stine sich zu klug. Wie entkommt man der Familienbande? – Nach dem grandiosen Start, den Birgit Querengäßer im November im Wurst&Fleisch hingelegt hat, führt Jasmin Ramadan diese junge Tradition nun fort. Dieses Mal inklusive Mettwurstbrötchen!

Jasmin Ramadan (* 1974) kommt aus Hamburg. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Ägypter. Sie studierte Germanistik und Philosophie. 2009 gelang ihr mit dem Debüt »Soul Kitchen« zum gleichnamigen Kino-Hit von Fatih Akin ein Überraschungserfolg. Für ihren neuen Roman »Das Schwein unter den Fischen« erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur.

> www.jasminramadan.de

> Das Schwein unter den Fischen
Klett-Cotta, Roman
1. Aufl. 2012, 272 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-50120-9

Lesung in Stuttgart:
Christian Tsiolkas, Nur eine Ohrfeige

Donnerstag, 1. März 2012

Am Dienstag, 6. März 2012 um 20 Uhr liest Christos Tsiolkas im Literaturhaus Stuttgart aus seinem Buch >Nur eine Ohrfeige, das gerade bei Klett-Cotta erschienen ist. Renate Brosch (Neuere Englische Literatur, Universität Stuttgart) moderiert den Abend. Der deutsche Text wird gelesen von der Schauspielerin Stela M. Katic.

Aufgezeichnet am Tag nach der Lesung:

Es ist ein heißer Sommertag. Im Garten wird das Barbecue für eine Fete aufgebaut, Freunde und die Familie treffen ein. Ein perfektes Fest bahnt sich. Im Getümmel verliert Harry auf einmal die Beherrschung und verpasst dem dreijährigen Hugo eine Ohrfeige. Klebt ihm eine. Und für alle, die dabei zusahen, hat dieser Vorfall weitreichende Folgen. Eine Ohrfeige, eine ausgerutschte Hand, zunächst ein eher beiläufiges Ereignis, das die Beteiligten gerne vergessen möchten, das aber die betroffenen Eltern ganz und gar nicht ungeschehen machen möchten, entwickelt sich zu einer packenden Erzählung über Liebe, Sex und die so unterschiedlichen Auffassungen von Ehe, Erziehung und Freundschaft. Nach und nach müssen die Partygäste ihr Familienleben, ihre Erwartungen, Überzeugungen und Wünsche hinterfragen. Christian Tsiolkas kann sich subtil in das Erleben aller Beteiligten hineinversetzen und hat einen großen Gesellschaftsroman – einen Roman über die moderne Familie geschrieben.

Eine einfache Ohrfeige, eine Tat, die alles auf den Kopf stellt. Monatelang auf den Bestsellerlisten in Großbritannien und Australien und ausgezeichnet mit dem »Commonwealth Writers’ Prize«. Auch nominiert für den »Man Booker Prize« und verfilmt als Fernsehserie

»Tsiolkas lese ich zur Zeit und bin begeistert; ein tolles, vielschichtiges Buch, das – wenn die Marktmechanismen nicht völlig aus dem Ruder laufen – auf die Bestsellerliste kommen MUSS.« Martin Gaiser, Buchhandlung Gondrom, Ulm

»“Nur eine Ohrfeige“ ist wirklich ein Wahnsinnsroman, den ich atemlos verschlungen habe. Man taucht von der ersten Seite ein in die Handlung und ihre Figuren und möchte gar nicht mehr aufhören zu lesen, wirklich vergleichbar mit J. Franzen, nur mit viel sympathischeren Figuren. Das wird auf jeden Fall ein Bestseller! Man ist ein wenig wehmütig am Ende, könnte immer weiter lesen.« – Gisela Krentzlin, Buchhandlung Decius, Hannover

Karten erhalten Sie an der Abendkasse ab 19 Uhr. > Literaturhaus Stuttgart

Christian Tsiolkas
> Nur eine Ohrfeige
Roman, aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner (Orig.: The Slap)
2. Aufl. 2012, 510 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-93902-6

Waren Sie schon mal im Stuttgarter Literaturhaus?
Nein? Dann ist dieser Abend eine gute Gelegenheit.

Stuttgart: Jean-Paul Sartre, Das Spiel ist aus

Mittwoch, 29. Februar 2012

Im Schauspielhaus Stuttgart, Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart, wird zwischen dem 2.03.2012 und 30.03.2012 Das Spiel ist aus von Jean-Paul Sartre aufgeführt.

„Das Spiel ist aus“ erzählt von einer tragischen Liebesgeschichte und ist ein faszinierendes Gedankenspiel: Pierre, ein junger Revolutionär, wird von einem Polizeispitzel ermordet. Zur gleichen Zeit wird Eve, Gattin eines hohen Polizeibeamten, von ihrem Mann vergiftet. Erst im Totenreich lernen Pierre und Eve sich kennen – und verlieben sich ineinander. Eine Verordnung – Artikel 86, sie beiden waren für einander vorgesehen – erlaubt es ihnen, noch einmal an die Oberfläche zurückzukehren, eine zweite Chance, von der wir immer träumen. Man werde die Zeit einfach anhalten, an dem Zeitpunkt, als beide vom Tod überrascht wurden. Keiner werde sie für Phantome halten, wird Ihnen von der alten Dame am Eingang zum Totenreich versprochen. Und sie müssen sich innerhalb von 24 Stunden als Liebespaar finden. Funktioniert das nicht, kehren sie in das Reich der Toten zurück. Aber oben bei den Lebenden sind beide so sehr in ihre Umgebung eingebunden, dass Pierre nicht über seinen Schatten springen kann und im entscheidenden Moment doch zu seinen Mitverschwörern hält – halten muss: „Ich kann einfach nicht anders,“ sagt Pierre.

In Stuttgart: > Jean-Paul Sartre, Das Spiel ist aus

Schuspielhaus, Stuttgart: Sartre, Das Spiel ist aus

> Gespräch zwischen dem Dramaturgen Christian Holtzhauer und dem Regisseur Sebastian Baumgarten


Das Spiel ist aus
Auf dem Bild: Boris Koneczny, Rainer Philippi, Bijan Zamani, Florian von Manteuffel, Michel Brandt, Katharina Ortmayr, Matthias Kelle, Till Wonka
Foto: Matthias Dreher

H. Wittmann: > Sartre und die Kunst

Martin Walser im Stuttgarter Literaturhaus

Dienstag, 10. Januar 2012

Montag, 09.01.12, 20.00 Uhr Ein literarisches Wunschkonzert mit Martin Walser im Stuttgarter Literaturhaus.
Lesung und Gespräch mit dem Publikum – Moderation: Thea Dorn