Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (II)
25. November 2007 von H. Wittmann
Eine Soziologie des Internets fehlt noch, und meine Bemerkungen in Session mit Robert Basic auf dem > Barcamp in Mannheim waren ein Versuch, das Thema Soziale Netzwerke mal auf eine andere Art zu öffnen.
Die These:
Kuscheln, anbeamen, Freundschaften vorschlagen, Kontakte knüpfen und Herzchen verteilen, dies alles führt zu dokumentierten Beziehungen spiegelt eine persönliche Kultur vor, die mit einer Öffentlichkeit oder öffentlichen sozialen Beziehungen nichts zu tun haben, weil die elektronische Kontaktaufnahme flüchtig ist, jederzeit einen Rückzug bietet und nur wenig Maß an Verantwortung für die neue Beziehung erfordert. – Warum wird ein Kontaktwunsch geäußert? Will man seine eigene Liste der der Bekannten auffüllen, will man selbst bekannter werden? Wie viele Kontakte verkraftet man? Einem Kontaktwunsch nicht zu entsprechen ist ganz einfach, dem Gegenüber wird das nicht mitgeteilt. Wir erlauben bei dieser Art von Spielchen, daß eine dritte Instanz, unser Verhältnis, das noch gar keines ist, regelt. Das ist nur ein kleiner Teilaspekt in einem ganzen Netzwerk, wo nicht nur mein Kontakt, sondern der Betreiber des Netzwerks und sogar die Netzwerk-Gemeinschaft in die Gestaltungsmöglichkeiten meiner Kontaktverhältnisse eingreift. Überlegt man wie viele Arten von Regeln die Foren bestimmen, erscheint der persönliche Gestaltbarkeit einer Kontaktanbahnung merkwürdig stark eingeengt.
Nehme ich den Gegenüber nur aufgrund seiner von ihm angezeigten Qualitäten wahr? Ist nicht eine Person gerade deshalb so interessant, weil sie in einer bestimmten Situation so wunderbar individuell und unverwechselbar, einmalig reagiert, etwas das ihr Profil nie wiedergeben wird. Die Menschen stellen ihr Profil ins Netz und werden dabei seltsam anonym. Kein Profil in sozialen Netzwerken erlaubt eine Gewichtung der persönlichen Interessen in einem Profil. Ist auch nicht nötig, das Profil gibt für alle die gleiche Form, schließlich will sich jeder Besucher gerne usability-gerecht auf jeder Seite gleich gut zurechtfinden. Was dabei herauskommt ist eine Uniformisierung, deren Folgen noch im Dunkeln liegen.
Vielleicht kann man sich diesem Problem auf dem Umweg über die Stadtarchitektur oder -planung annähern. Betrachten wir nacheinander zwei Plätze, die den Raum für öffentliches Leben bilden sollen. Der Wihelmsplatz (I) in Stuttgart-Bad-Cannstatt (> Eine Ortsbesichtigung) ist das erste Beispiel. Hier ist es gründlich mißlungen, einen öffentlichen Raum für die Begegnung von Menschen zu schaffen. Offenkundig engen eine Vielzahl von Vorschriften jeder Art die Wege der Menschen auf einen engen Raum ein, während die anderen Verkehrsteilnehmer ihre eigenen Verkehrsräume erhalten haben.
Die Fußgänger werden auf diesem Platz nur insoweit geduldet, wie sie ihn zwischen den Laufgittern schnell zu überqueren bereit sind. Es ist kein Platz zum Verweilen. Als Zentrum eines Ortsteils hat er seine Funktion verloren.
In ähnlicher Weise funktionieren die sozialen Netzwerke wie Facebook u.a. im Internet. Trotz einer immer größeren Fülle von Funktionen, die für die Selbstdarstellung eine Vielzahl von Möglichkeiten anbieten, ist das Schema der Kontaktaufnahme durch die Gestalter dieser Netzwerke weitgehend vorgeschrieben, eben so wie auf einem Platz, auf dem die Menschen in vorbestimmten Bahnen sich bewegen müssen. Was einem auf diesem Platz einfällt? Wie werden die Passanten diesen Stadtraum wieder für sich zurückerobern können?
Gute Frage, gerade an so einem Wochenende, an dem die Ulmer Bürger das Museum Weishaupt in > Ulms Neuer Mitte, > Drei neue Gebäude, eingeweiht haben.
Foto (c) Stadt Ulm. Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Ulm.
Das neue Museum liegt direkt an dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz, mit dem die Ulmer in sehr beeindruckender Weise die Kriegswunden der Stadt, an die die Neue Straße noch bis vor kurzem erinnerte, zwischen Münster und Altstadt endlich wieder geschlossen haben.
Abgesehen von dem offensichtlichen Nutzen, die soziale Netzwerke unbestreitbar bieten, darf dennoch, die Funktion und der Aufbau dieser Angebote kritisch hinterfragt werden.
Zum zweiten Beispiel: > La Place de l’Homme de fer in Straßburg
> Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (I)
> Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (II)
weiter mit:
> Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (III)
> Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (IV)