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Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (III)

25. November 2007 von H. Wittmann

Das zweite Beispiel ist der > Platz Homme de Fer in Straßburg. Kaum sind die Straßenbahnen, die hier aus vier Richtungen kommen, vorbeigeglitten, übernehmen wieder die Passanten die Herrschaft über den Platz. Die Bahn ist hier nur Gast, sie wird geduldet, sie darf klingeln, man macht ihr für die Durchfahrt Platz.


Soziale Netzwerke der bekannten Art verführen die Menschen zu einer möglichst weitgehenden Preisgabe ihrer Identität, je mehr, um so bessere Kontaktchancen mit anderen werden direkt oder indirekt versprochen, damit immer mehr Felder ausgefüllt werden. Ich vermute, daß trotz der wohl oft zutreffenden Angaben in diesen Netzwerken dennoch eine Scheinwelt aufgebaut wird, die mit dem öffentlichen Leben nichts zu tun hat.

Zum öffentlichen Leben und Umgang miteinander gehört die Entdeckung des Anderen unter allen Formen der Wahrung des Respekts. Respekt vor der individuellen Integrität, Respekt vor persönlichen Einstellungen, so lauten die Spielregeln, wie Menschen sich untereinander begegnen. Das flüchtige Kennenlernen der Tausch der Visitenkarten, die folgende erneute Kontaktaufnahme, mit der das Entdecken des Anderen fortgesetzt werden kann, gibt es nicht mehr.

Nur städtischen Räumen, in denen die Passanten sich einander begegnen ohne die Einengung durch Barrieren aller Art – hier wird nicht über den Nutzen der verkehrstechnischen Vorschriften, die zu verbauten Plätzen führen diskutiert – kann eine Öffentlichkeit entstehen. Plätze, die ihre ursprüngliche Funktion der Begegnung verloren haben, haben auch für eine Stadtgesellschaft erstmal keinen Nutzen mehr.

Soziale Netzwerke, die nur augenscheinlich keine Barrieren haben, nehmen dem Kennenlernen als sozialen Prozeß viele Dimensionen, es ist wie ein Spicken in die Karten des gegenüber, wenn man zwischenzeitlich in einem Netzwerk Informationen über den Anderen gefunden hat. Die Dauer der Bekanntschaft ist um Wochen vorgespult worden, wie leichtfertig wird nur ein Abgleich mit den eigenen Interessen vorgenommen, interessante Facetten des Gegenübers werden in ihrer Individualität falsch gewichtet oder gar nicht erst erkannt.

Die zweite These lautet also, in Annäherung an Richard Sennett (Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, engl. The Fall of Public Man, Frankfurt/M. 1983), daß die sozialen Netzwerke keinesfalls sozial sind, sondern zum Niedergang der Öffentlichkeit gerade durch die Vorspiegelung der Öffentlichkeit erheblich und entscheidend beitragen. Je mehr gemeinsame Identität festgestellt oder entwickelt wird, je gleicher alle werden, so möchte man hinzufügen, so unmöglicher wird die Verfolgung gemeinsamer Interessen, erklärt Sennett (S. 295). Das ist nicht unbedingt so paradox, wie es klingt. Nur die Unterschiede lassen die Neugier entstehen und führen zum Entdecken von Neuem.

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