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Archiv für die Kategorie 'Kultur'

Im Künstlerhaus Stuttgart:
Annika Eriksson, Die Triologie

Freitag, 13. April 2012

Künstlerische Dialoge III
Annika Eriksson: Die Trilogie

Künstlerhaus Stuttgart, Reuchlinstr. 4b, 70178 Stuttgart, Ausstellung, 4. Stock
14. April 2012 – 17. Juni 2012
Eröffnung: Freitag, 13. April 2012, 19 Uhr

Das Künstlerhaus Stuttgart zeigt neue Arbeiten der in Berlin lebenden schwedischen Künstlerin Annika Eriksson im Rahmen der Einzelausstellung Die Trilogie. Die Ausstellung präsentiert eine Trilogie von Videoarbeiten – neben den Video-Installationen Wir sind wieder da (2010) und Wir Bleiben/The Last Tenants (2011) – Erikssons neueste Arbeit It did happen soon (2012) als Erstaufführung. Die Werke sind konzipiert als ein fortgesetzter Dialog mit Zeiten des Übergangs, die hier sowohl in Momenten des Widerstands und des Ungehorsams als auch in Zuständen der Erschöpfung und der Passivität erkundet werden. Berlin, wo die Künstlerin lebt und arbeitet, und ein Ort, an dem sich Science Fiction als Mittel zur Beugung von Zeitabläufen realisieren lässt, diente bei der Umsetzung der drei Arbeiten als Dreh- und Angelpunkt.

Mehr Informationen: > Künstlerhaus Stuttgart

Annika Eriksson lebt in Berlin. Ihre jüngsten Arbeiten: Maximum Happiness für „Yes, No and Other Options“, Sheffield Biennale 2008. 2012: „The Best of Times, The Worst of Times. Rebirth and Apocalypse in Contemporary Art“, Kiev Biennale; „When Attitudes Became Form Becomes Attitudes“ im Wattis Institute for Contemporary Art, San Francisco, sowie eine Einzelausstellung in der Galerie Krome, Berlin.

TERMINE:

Dienstag, 15. Mai 2012, 18-21 Uhr
LINIE WEST Nr. 7
Rundgang durch die Galerien Hauff, Friese und Parrotta sowie das Künstlerhaus Stuttgart
www.liniewest.de
18 Uhr: Kuratorenführung durch die Ausstellungen im Künstlerhaus mit Adnan Yildiz

Dienstag, 12. Juni 2012, 19 Uhr
Annika Eriksson im Gespräch mit Maria Lind, moderiert von Adnan Yildiz

Die Ausstellung von Annika Eriksson wurde durch die freundliche Unterstützung von IASPIS und dem > Schwedischen Honorarkonsulat Stuttgart ermöglicht.

Künstlerhaus Stuttgart
Reuchlinstr. 4b · 70178 Stuttgart
T (0711) 617652 · F (0711) 613165

Neue Architektur in Stuttgart

Donnerstag, 12. April 2012

Das ganze Dilemma, zwischen Alt und Neu zeigt das zweite Foto im Buch > Architekturstadt Stuttgart, das Amber Sayah für die Stuttgarter Zeitung und der Belser Verlag herausgegeben hat: Vor dem Abriss des Nordflügels hält ein Demonstrant ein Schwarzweiß-Foto von Paul Bonatz, der bekümmert den Betrachter ansieht, empor; vielleicht ist das Foto auch nur eine Fotomontage. In Stuttgart sind schon öfters wichtige Bauten abgerissen worden, um Platz für neue architektonische Ideen zu schaffen. Das Kronprinzenpalais, das Kaufhaus Schocken, (hier: S. 131-134) das Steinhaus, die Ruine des Rathauses, die beiden Bahnhofsflügel zählen zu diesen Erinnerungen, die nur noch auf Fotos zu sehen sind. Stuttgart hat Probleme mit dem Denkmalschutz und seiner Vergangenheit und somit kein rechtes Verhältnis zu seiner Geschichte.

Würfelspiele, innen und außen lautet die Überschrift des Kapitels, das über die neue > Stadtbibliothek am Mailänder Platz berichtet. Die merkwürdige Distanz zum Buch, die in dieser Bibliothek seltsamerweise die Besucher so verzückt: „Der terrassierte Galeriesaal ist Architektur-Architektur…“ (S. 13), schafft einen Unterschied, zwischen den Büchern im Wilhelmspalais mit den traditionellen Regalreihen und jetzt der „Büchern und Besuchern eine prachtvolle Bühne bereitende Bibliothek“. (S. 13)

Das2009 fertiggstellte Haus der katholischen Kirche bekommt die Überschrift Promenadenmischung mit Mission. Dann das Schmuckstück am Schlossplatz: Schwabe mit reichem Innenleben heißt das Kapitel über das > Kunstmuseum mit der Stolpertreppe, das Rainer Hascher und Sebastian Jehle 2004 errichteten. Ein echtes Vorzeigeobjekt, auch wenn die Umgebung sich noch nicht so recht an den Bau gewöhnt hat. „Die Rückseite finde ich interessanter, weil sie in den Platz eingefügt ist. Ich finde ja immer noch, dass der ganze Bau zu nah am Schloßplatz steht. Treppen vor dem Haupteingang hätten einladender gewirkt,“ stand 2007 auf diesem Blog. Es stimmt übrigens, dass das Mobile von Calder mit der Kulisse des Kunstmuseums jetzt endlich so richtig zur Geltung kommt:

Ein Haus, das Stadt macht steht über dem Beitrag, der den Entwirf für die Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek beschreibt, der von Lederer + Ragnarsdóttir + Oei 2015 fertiggestellt werden soll. Ob man das richtig macht, ihn direkt an die Straße zu stellen? Hier wird ein bestehendes Gebäude erweitert, und man darf gespannt darauf sein, wie beide Alt und neu sich miteinander unterhalten werden. Ich finde die WLB innen immer noch sehr zweckmäßig.

Das Mercedes-Benz-Museum und das Porsche-Museum (1) sind eher überkandidelte Schaubauten für die Werbung, wobei das Museum für die Autos mit dem Stern etwas systematischer Autogeschichte zeigt, während das andere Museum noch mehr mit der großen Verschiedenheit seiner Räume überraschen will. Hier gilts dem Automuseum berichtet über das Museum der Sammlung Mahle, das 2009 errichtet wurde. Ein besonderer Stadtbaustein, die Galerie Abtart in Möhringen ist weniger bekannt. Sie wurde 2009 fertiggestellt.

Aber in Stuttgart wird auch Altes renoviert: Die Modernisierung in Schwarz und Weiß ist mit dem Umbau der katholischen Kirche ist prachtvoll gelungen. Wieder ist der Beitrag vom Amber Sayha auch hier eine gelungene Aufforderung, sich diese Kirche einmal näher anzusehen. Zu Recht hat auch die ins Bild gesetzte Geschichte, die Errichtung der Gedenkstätte Zeichen der Erinnerung an den Bahngleisen, von denen die Stuttgarter Juden, SInt und Roma deportiert wurden, seinen Platz in diesem Buch. Warum wird aber nicht gesagt, dass Professor Ostertag den Verein „Zeichen der Erinnerung“ gegründet hat? Und mit Unterstützung des Vereins die Gedenkstätte gegen die Stadt durchgesetzt hat?

Das Weißenhofmuseum, das Baur-Areal, die Wohnanlage Weimarstrasse, das Wohnstift Augustinum, das Haus in der Seestrasse, das Wohnhaus Barth und das Hospiz St. Martin dokumentieren die Architektur im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, alle sind es gelungene Bauten, die eindrucksvoll beschrieben werden, die aber weit auseinanderstehen und zum Stadtbild in Stuttgart nur indirekt beitragen.

In der Tradition bester Ingenieurbaukunst heißt das Kapitel über die Neue Messe Stuttgart, in der mir wieder die besonders langen Wege in auffallen, die an den enormen Landschaftsverbruach dieses Projekts erinnern. Sie ist ja sicher auch auf Zuwachs ausgelegt. Das > Z-Up ist ein sehr gelungener Energiekick für die Heilbronner Straße, die ihn auch dringend nötig hat, den die Straße aber nciht so recht geniesßen oder verkraften kann, zu wenig passt der Bau zwischen die bisherige Bebauung. Auf der der anderen Seite wird sie von einer hohen vom ehemaligen Güterbahnhof getrennt. In diesem Viertel hat man eine Chance verpasst, das neue Stadtquartier zu seiner Umgebung sprechen zu lassen. Rund um den Mailänder-Platz entsteht eine schöne Insellösung.

Ein Hauch von Expressionismus zeigt die neue Domsingschule (2006). Kennen Sie das Gebäude? Gut, dass es dieses Buch gibt. Ein richtiger Bau und Architekturentdeckungsführer durch Stuttgart. Lesen wir weiter. Große Sorgfalt für kleine Leute verrät die Kindertagesstätte in Obertürkheim, wie auch das Katholische Kinderhaus St. Hedwig: Vor der Nase wachsen Walnüsse.

Danach kommt kommt der zweite Teil: Stadterkundungen mit Arno Lederer: Ein Gang über den Stuttgarter Marktplatz. Keine Spur von urbanem Boulevard heißt der Beitrag über die hässliche und unnütze Stadtautobahn, die die Stadt immer noch zweiteilt. Viel mehr Meile als Kultur.

Warum wird in diesem Beitrag nicht an die bekannten Pläne von Professor Ostertag erinnert, der eine Lösung für die Hauptstätter Strasse, sogar für die ganze Straße vom Marienplatz bis zum Neckartor, vorgelegt hat? Als wir am letzten Samstag in der Ausstellung zur Stadtentwicklung von Roland Ostertag > Stuttgart woher- wohin waren, sagte mein französischer Freund anerkennend, ohne Professor Ostertag würde in dieser Stadt noch viel mehr abgerissen werden:

> 14 Spuren sind zuviel

> Die Hauptstätter Strasse und das neue Mobilitätskonzept
> Die Bebauung der Hauptstätter Straße
> Stadtreparatur in Stuttgart (II): Die Hauptstätter Straße
> Alles zum Thema > Hauptstätter Straße auf diesem Blog

Leider wird die > Paulinenbrücke zwischen zwei Neubauten eingezwängt. Auf den Bauzäunen steht: Stuttgart wächst zusammen, das ist wohl eher spöttisch gemeint, das ginge nur, wenn die > Paulinenbrücke abgerissen worden wäre. Schade, das hat man verpasst, also werden die neuen Gebäude auf sich reduziert und nicht miteinandersprechen, weil zwischen ihnen die Autos hin- und herbrausen, und die Fußgänger weiterhin unerwünscht sind. Sind Sie schon mal auf der Parkfläche unter der Paulinenbrücke gewesen? Das ist auch Stuttgart. Es wird Zeit, das die Fußgänger die Stadt endlich zurückerobern.

Wo die Strassenhasser ihres Amtes walten ist der Artikel über das Bosch-Areal und die Liederhalle überschrieben. Von allen Überschriften in diesem Buch, ist sie am wenigstens gelungen. Hier fehlen übrigens Fotos vom geretteten Boschareal. Das > Literaturhaus ist nicht erwähnt und der Name von Roland Ostertag fehlt auch. Die Begehung und die Besprechung oder oberflächliche Kommentierung im Plauderton des Berliner Platzes vergisst auch den Namen von Roland Ostertag und ist im übrigen unnötig kritisch ausgefallen, während alle anderen Beiträge viel wohlwollender klingen. Bedenkt man sein Engagement für diese Stadt, ist das schon seltsam: > Was zeichnet eine lebenswerte Stadt aus?

Die Logik der Beziehungslosigkeit führt uns auf das S-21-Gelände. > kann man erfolgreich einen Stadtteil auf einem Reißbrett entwerfen?. Das ist immer schwer und das so gelobte Filetstück zwischen Heilbronner Straße und dem Schloßpark wird ein neuer Stadtteil für sich allein ohne Bezug zu den umliegenden Stadtquartieren entstehen. Bis jetzt fehlt noch der Charakter des Stadtteils. Es ist nicht sicher, ob die zeitweilig erscheinenden Besucher reichen werden, dieses Quartier mit Leben zu erfüllen. Hier macht es sich bemerkbar, dass Stuttgart kein richtiges Stadtentwicklungskonzept hat: > Stadtplanung und soziale Netzwerke im Web 2.0 (IV).

Und dann folgt das Kapitel mit den Debatten, das die Diskussion um den > Stuttgarter Hauptbahnhof dokumentiert. Im Abschnitt Visionen äußern sich Fran Pesch, Arno Lederer, Stefan Behnisch, Tobias Wulf, Jürg Aldinger und Tobias Walliser zu den Zukunftsperspektiven für die Stadt Stuttgart. Pflichtlektüre für alle, die in dieser Stadt wohnen und sie besuchen. Aber auch viele Anreize für deutlichen Widerspruch. Aber auch die Visionen dieser Autoren täuschen nicht darüberhinweg, dass dieser Stadt ein Gesamtkonzept für die Stadtentwicklung fehlt. Hier und da wird gebaut. Es entstehen > riesige Einkaufsszentren und > die Innenstadt verkümmert: > Einkaufzentren sind kein Beitrag zu einer Stadtkultur. Hier wird zur Zeit mit dem Gerber und dem Einkaufszentrum am Mailänder Platz alles falsch gemacht und die Bürger können nur noch zusehen

Das Buch ist schön gemacht und es lädt ein nach Stuttgart zu kommen. Allerdings sind die ersten Kapitel (S. 1-98) Berichte über Einzelbauten, die in jeder andern Stadt auch stehen könnten. Es gibt keine Zusammenhänge zwischen ihnen, allenfalls nur thematischer Art. Aber auch in ihrer Summe präsentieren sie keine Vision der Stadt. Es ist richtig, die schönen neuen Bauten beweisen die architektonische Aufbruchstimmung in dieser Stadt, die aber ihre dringendsten aufgaben noch immer nicht erledigt hat:

> Warum wird die Kronprinzenstraße keine echte Fußgängerzone?

… und die > Hauptstädter Straße wird wohl mit ihren vielen unnützen Hin- und Herfahrten noch lange das ungelöste städtebauliche Problem Nr. 1 in dieser Stadt bleiben.

Amber Sayah
> Architekturstadt Stuttgart
Bauten – Debatten – Visionen
26,4 x 24,5 cm (LxB), 160 Seiten
130 Abbildungen
Fester Einband
ISBN: 978-3-7630-2616-6
Preis: € 29,95


H.W., Construire l’imprévisible. Une brève esthétique de l’architecture,
in: Recherches en esthétiques, Revue du C.E.R.E.A.P., Nr. 15, Novembre 2009, S. 73-80.
> www.france-blog.info/kultur/limprevisible-une-petite-esthetique-de-larchitecture

Alle Fotos: (c) Heiner Wittmann

Jean-Paul Sartre, Das Spiel ist aus
im Schauspielhaus Stuttgart

Mittwoch, 4. April 2012

Sartre schrieb das Drehbuch Das Spiel ist aus während der deutschen Besatzung Frankreichs. Zur Zeit wird das Theaterstück im > Schauspielhaus in Stuttgart aufgeführt.

Gekürzte Fassung der Besprechung, die 2012 im Jahrbuch der > Sartre-Gesellschaft erscheinen wird.

Auf der Bühne vor dem geschlossenen Vorhang erscheint Florian von Manteuffel mit einem bis auf die Fußknöchel reichenden schwarzen Pullover. Er sei Jean-Paul Sartre verkündet er und trägt dann eine Deutung des Satzes „Die Existenz geht der Essenz voraus…“. Später bekommt Sartre Gelegenheit, der alten Dame am Eingang zum Totenreich behilflich zu sein. Die Anmerkung des wiederauferstandenen Sartres, er sei Sartre, ein Metzger aus Chartres trägt dazu bei, was ein Theaterbesucher erfreut lobte, dass auf diese Weise die Schwere und die Tragik dem Stück sehr wohltuend genommen wird.

Der Vorhang hebt sich, und ein Bühnenkarussell setzt sich in Bewegung, das mit vielen Lichteffekten die verschiedenen Szenen nahtlos ineinander übergehen lässt. Als ein Klickern wie in einer nächtlichen Regenrinne erklingt, ist es für Eva schon zu spät, sie stirbt durch das Gift ihres Mannes. Im selben Moment wird Pierre von einem Mitverschworenen der Aufständischen erschossen. Beide erreichen zusammen den Tisch der alten Dame am Eingang des Totenreichs.


Das Spiel ist aus
Auf dem Bild: Matthias Kelle, Bijan Zamani, Michel Brandt, Till Wonka, Florian von Manteuffel
Foto: Matthias Dreher

Der Empfangstisch steht vor dem Vorhang, das Bild der Genesis-Gasse wurde bei dieser Inszenierung getilgt. Ob der Turban der alten Dame wirklich eine auf Simone de Beauvoir gemünzte Anspielung sein soll? Sartre assistiert ihr. Die Neuankömmlinge erfahren, dass sie vergiftet, bzw. erschossen wurden. Insoweit folgt das Stück hier der Vorlage. Simone de Beauvoir und ihr Lebensgefährte sind hier aber eindeutig fehl am Platze. Die vielen Verrenkungen, mit denen Sartre die beiden Gäste in das Totenreich begleitet passen nicht zum Ernst und der Nüchternheit der Aufnahmeprozedur, wie sie z.B. der Film von Jean Delannoy (1947) zeigt.

Wie kann die Stuttgarter Inszenierung geprüft oder bewertet werden? Texttreue? Szenerie? Handlung? Die schauspielerische Leistung? Der Aufenthalt von Eve und Pierre im Totenreich ist in dieser Aufführung gekürzt worden. Er spielt sich vor dem Karussell ab und wirkt in dieser Inszenierung wie eingeflickt. Der Verzicht auf ein eigenes Dekor dieser Szene, die Beibehaltung des Dekors der Oberwelt verniedlicht die Trennung zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Als Eva und Pierre sich körperlich einander nähern, ohne dass ihnen dies gelingen kann, werden beide vor die alte Dame zitiert, die ihnen die Anwendung des Paragraphen 140 verkündet. Eve und Pierre werden entlassen. Die Uhr wird zurückgestellt. Pierre darf mehrere Kugeln ausspucken und Eve nach dem Anheben des weißen Lakens über ihrem Gesicht lächeln und zur Verblüffung ihres Gatten sofort aufstehen.

Das Spiel ist aus
Auf dem Bild: Florian von Manteuffel, Nadja Stübiger, Sarah Sophia Meyer, Bijan Zamani, Till Wonka
Foto: Matthias Dreher

Beiden fällt es schwer, sich aus ihrer gewohnten Umgebung zu lösen. Pierre ruft Eva an, um ihr zu sagen, dass er noch einmal zu den Verschwörern eilen muss. Beide verpassen die Chance, innerhalb von 28 Stunden zueinanderzufinden. Das Stück illustriert Sartres Gedanken, dass die Menschen zur Freiheit verdammt sind, sie können sich immer neu entscheiden, ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als beständig eine Wahl zu treffen.

Die schauspielerische Leistung sollte ganz unabhängig von der zuweilen lauten Szenerie und der Übertreibung mancher Handlungsmomente bewertet werden. Till Wonka spielt Pierre Dumaine, den Anführer der Revolutionäre. Mimik, Gestik und die Geschwindigkeit, mit der er sich auf der Bühne bewegt, passen perfekt mit seiner Verblüffung zusammen, als er erfährt, dass ein Mitverschworener seinem Leben ein Ende gesetzt hat. Eve Charlier wird von Nadja Stübiger verkörpert, die von der feinen Dame auf subtile Weise viel verliert zugunsten ihrer Revolte gegen ihren Mann André Charlier (Rainer Philippi). Das Liebespaar Eve und Pierre vermittelt die Entschlossenheit besonders Eves, in der 24-stündigen Probezeit alles richtig zu machen. Ihr Wille zeigt den Handlungsspielraum, der dem Mensch bei der Gestaltung seiner eigenen Lage bleibt. Michel Brandt in den Rollen von Renaudel, ein Revolutionär, toter Soldat und Philippe ist ein Student der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellenden Kunst Stuttgart. Er passt sich glänzend in die Aufführung ein, wie auch Boris Koneczny, der als Regent und Eves Vater ohne Kompromisse die Brutalität des namenlosen Regimes zu erkennen gibt.

Doch trotz der so gelungenen schauspielerischen Leistungen darf nach den Gründen für mancherlei Klamauk gefragt werden. Die Lautstärke passt nicht zum Drehbuch, das seine Spannung genau aus dem manchmal geradezu leisen Ablauf zieht. Ist das Stück nur mit dieser Leichtigkeit, die, das muss hier konzediert werden, die Dramatik des Stück in keiner Weise angreift, einem größeren Publikum zu vermitteln? Will der Regisseur den Zeitgeist zeigen, unterwirft er Sartres Stoff einer so starken Veränderung, um die Unausweichlichkeit der Wahl noch besser illustrieren zu können? Die fehlende szenische Trennung von Oberwelt und Unterwelt konnte nur durch die vom Regisseur vorgetragenen Einführung im vorhinein ausgebügelt werden konnte. Die Welt der Lebenden kann auch die Welt der Toten sein, so ein Durcheinander könnte das Verständnis des Stücks ein wenig tangieren. Die eigentümliche Spannung dieser Szenerie geht in der Stuttgarter Inszenierung im Krach der Gegenwart unter. Dieses Detail rührt aber nicht am Verständnis des Stücks auf der Bühne. Sartrianer mögen etwas befremdet sein, sich aber dann doch über das volle Haus und die Anziehungskraft des Sartreschen Stückes freuen.

*** Unbedingt ansehen.

Weitere Termine:
8.04.2012 FÄLLT AUS – Wegen Erkrankung
20.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
24.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
28.04.2012 19:30 – 21:30 Uhr
10.05.2012 19:30 – 21:30 Uhr
17.05.2012 19:30 – 21:30 Uhr

Heiner Wittmann, > Sartre und die Kunst

Am Samstag, 19. Mai ist im > Schauspielhaus Stuttgart die Premiere des Theaterstücks von Albert Camus, Die Gerechten angekündigt.

H. Wittmann, > Albert Camus, Kunst und Moral
H. Wittmann, > Aesthetics in Sartre and Camus. The Challenge of Freedom.

Girl’s Day auch der Uni Stuttgart am 26. April 2012

Donnerstag, 15. März 2012

Auch in diesem Jahr wird sich die Universität Stuttgart wieder am bundesweiten „Girls’ Day“ beteiligen. Er wird am 26. April 2012 stattfinden und wendet sich an Schülerinnen der Klassen 5 bis 10.

Insgesamt 39 Institute der Universität Stuttgart offerieren an diesem Tag jeweils mehrstündige Workshops für Schülerinnen der Unter- oder Mittelstufe. Neben der Möglichkeit, unsere Uni von innen zu erleben, ergeben sich spannende Einblicke in die Arbeit von Natur- oder IngenieurwissenschaftlerInnen sowie die seltene Chance, dabei selbst praktisch zu arbeiten. Näheres zum Angebot der Universität Stuttgart finden Sie auf den Webseiten der Universität Stuttgart unter www.uni-stuttgart.de/girls-day.

Christa Wolf ist tot

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Im Alter von 82 Jahren ist > Christa Wolf gestorben.

Ein Blick ins Archiv des Stuttgarter Literaturhauses:
donnerstag, 11.12.03, 20.00 uhr
> Christa Wolf Ein Tag im Jahr. Lesung

Fotos: (c) H. Wittmann. 2003

Die neue Stadtbibliothek am Mailänder Platz

Freitag, 28. Oktober 2011

Der Mailänder Platz hinter dem Hauptbahnhof ist noch eine Riesenbaustelle. Aber in seiner möglichen Mitte oder an seinem Rand ist in den letzten Monaten die neue Stadtbibliothek aus dem Boden gewachsen. Ein großer Würfel mit kleinen Fenstern. Kommen Sie doch mal gleich mit. Gestern abend habe ich meinem Fotoapparat die neue Bibliothek gezeigt:

Toll, die Außenfassade ist ein echter Magnet. Man betritt die Eingangshalle:

Man kommt n den großen mittleren Innenraum. Das ist schon toll. Ein Raum zum Durchschreiten? Zum Verweilen? Das hat so ein bisschen was von einem Kirchenraum. Aber es ist kein Raum, den man mit einer Bibliothek in Verbindung bringen würde. Ein gigantischer Festsaal für Performances?

Die weiße Farbe herrscht überall vor.

Bisher kannte ich keine Bibliothek, in den das ganze Mobiliar und die Wände so weiß wie Buchseiten sind. Kleine blaue Wagen auf Schienen räumen die Bücher auf:

Aber dann der große Innenraum über dem weißen Innenwürfel:

Viele Treppen und das Ganze ist eine gigantische Galerie, so eine, wie ich sie schon immer im Wohnzimmer haben wollte: Einen Galerie mit einer rundumgehenden Bücherwand, wo man hinaufsteigt, das richtige Buch holt, vielleicht auch von oben eine wichtige Passage vorliest.

Ein bisschen weit weg sind die Bücher schon. Aber man hat genügend Platz zum Gucken, zur Inspiration. Kein Büchertempel, ein Tempel mit Büchern.

Medien gibt es auch:

In welchem Verhältnis steht dieser offene Raum zu den umlaufenden Bücherregalen? Sind diese hier nur Dekoration? Nein, natürlich nicht. Bin gespannt, wenn Freunde mitkommen und ihre ersten Eindrücke schildern. Zum Nachdenken über den Bau regt seine Konzeption ganz sicher an, aber auch zum Nachdenken über die Literatur?

Man muss ziemlich weit laufen, um ein bestimmtes Bücherregal zu erreichen. Aber der erste Eindruck ist doch grandios, auch weil man in Stuttgart Vergleichbares gar nicht kennt. Und so ein Bau als Magnet tut der Architekturgeschichte der Stadt richtig gut. Aber wenn der Bau in den nächsten Jahren wie so oft in Stuttgart üblich von allen Seiten mit langweiligen Bürogebäuden zugebaut werden wird, muss man wohl die Bibliothek am Mailänder Platz erst suchen. Schade! Die neue Bibliothek sollte frei auf dem Platz sehen bleiben. Mal gucken, wie es wird. Immerhin ist ein schmaler grüner Grasstreifen um die Bibliothek herum angelegt statt des geplanten Wasserbeckens…

Gestern abend fand die > Veranstaltung im Untergeschoß statt, blaue statt weiße Wände.

> Stadtbibliothek Stuttgart

Tad Williams liest in Stuttgart

Dienstag, 25. Oktober 2011

Tad Williams ist nach langer Zeit wieder in Stuttgart zu erleben.
Der Amerikaner stellt den lang ersehnten Abschlussband seines großen Fantasyepos vor:
Der Südmarksfeste droht Gefahr von zwei unerbittlichen Feinden, den uralten Quar der Nebellande und dem verrückten Gottkönig von Xis. Mittendrin kämpfen die königlichen Zwillinge Briony und Barrick um ihr Erbe und Leben.
Prinz Barrick hat sich der dunklen Macht der Quar verschrieben, jener gefährlichen Bewohner der Welt hinter der Schattengrenze. Geht er für seine Schwester, für sein Land und die Menschheit für immer verloren?
Unterdessen wird offenbar, dass der grausame Herrscher und Gottkönig des Südens mit Hilfe von König Olins Blut grenzenlose Macht gewinnen will. Wird seine finstere Rechnung aufgehen?
Und der jungen Briony obliegt die schwerste aller denkbaren Entscheidungen: Soll sie das Leben ihres Vaters, des Königs, retten oder die Südmarksfeste aus der Hand ihrer Feinde befreien?
Erleben Sie das spannende Finale von Shadowmarch, Tad Williams‘ jüngstem Meisterwerk.

Buchhandlung Wittwer, Donnerstag, 27. Oktober 2011, 20 h 15

Eintritt: 8,- €

Robert Spaemann im Stuttgarter Literaturhaus

Sonntag, 4. September 2011

Der Philosoph Robert Spaemann ist am Dienstag, 6.9.2011 um 20 Uhr, zu Gast im Literaturhaus Stuttgart.

Die Veranstaltung, die vom stellvertretenden Feuilletonchef der Zeit, Ijoma Mangold, moderiert wird, trägt den Titel des gleichnamigen Buches, das im Sommer bei Klett-Cotta erschienen ist: > Nach uns die Kernschmelze.

Seit über 50 Jahren wendet sich der Stuttgarter Philosoph Robert Spaemann mit Nachdruck gegen die Nutzung der Atomenergie. Seine Einsprüche gegen die menschliche Hybris im atomaren Zeitalter sind nun in einem neuen Bändchen versammelt: „Nach uns die Kernschmelze“. Im Gespräch mit dem Ijoma Mangold diskutiert Spaemann über unsere Gewissheit, eine Technologie handhaben zu können, bei der jeder Fehler unabsehbare Folgen nach sich ziehen kann.

Thema des Abends ist überdies der zweite Band von Spaemanns Reden- und Aufsatzsammlung > Schritte über uns hinaus: »Wir tun niemals einen Schritt über uns hinaus«, so charakterisierte David Hume pointiert die »moderne Weltanschauung«, deren Schattenseiten Robert Spaemann entfaltet. Wir können gar nicht anders, als uns zu überschreiten.

> Literaturhaus Stuttgart

> Ein Gespräch mit Robert Spaemann Blog Klett-Cotta

Robert Spaemann
Nach uns die Kernschmelze. Hybris im atomaren Zeitalter
1. Aufl. 2011, 108 Seiten,gebunden ohne Schutzumschlag

Schritte über uns hinaus
Gesammelte Reden und Aufsätze I
2. Aufl. 2010, 376 Seiten

Schritte über uns hinaus
Gesammelte Reden und Aufsätze II
1. Aufl. 2011, 347 Seiten

Vorgestellt: Alle Opernhäuser in Deutschland
Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

Freitag, 22. Juli 2011

Es geschah 1997 in Strelitz. Fidelio stand auf dem Programmzettel. Und bei der Aufführung fasste Bollmann einen Entschluss. Alle Opernhäuser in Deutschland besuchen. Das Vorhaben hat er mittlerweile realisiert und am Montag 25. Juli um 20 Uhr stellt er sein Buch > Walküre in Detmold Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz im > Stuttgarter Literaturhaus vor.

81 Orte, 84 Opern: Beinahe mehr Opernensemble als im Rest der Welt. Eine Reise durch eine bedrohte Kulturnation. Bollmann nimmt uns mit auf eine Bildungsreise einer ganz besonderen Art: man kann nur staunen angesichts eines Provinznests, das den den »Ring« auf die Bühne stellt. In München, Dresden, Detmold und Cottbus. Ralph Bollmann ist ist zwölf Jahre lang überall hingereist. in Plauen sah er Lohengrin, in Meiningen Tosca und in Ulm hat Salome.

Im Stuttgarter Literaturhaus wird an diesem Abend auch der Band von Albrecht Puhlmann „Staatsoper Stuttgart 2006-2011 – Kristallisationen“ (avedition) vorgestellt.

Ralph Bollmann
Walküre in Detmold Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz
1. Aufl. 2011, 285 Seiten,gebunden mit Schutzumschlag, Vorsatzkarten
ISBN: 978-3-608-94621-5


Leseberichte, > Gespräche und Videos auf dem > Blog von Klett-Cotta.


Warum wird die Kronprinzenstraße keine echte Fußgängerzone?

Samstag, 16. Juli 2011
[wp-cumulus]
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Beim samstäglichen Einkaufsbummel fiel wieder einmal die schon lang vergangene Pracht der
> Kronprinzenstraße auf. Zwischen Calwer Straße und Königsstraße ist sie ein Stück Niemandsland geworden. Nur noch zwei Litfasssäulen, zwei Ausgänge aus dem Parkhaus, ein paar Spielgeräte, ein paar Mülltonnenbehälter und ein maroder Belag gehören zum Stadtmobilar dieser Fußgängerzone.

Die Straße lädt nur zum Durchqueren ein. Sie hat neben der Königsstraße schon längst ihre Funktion verloren. Die Kronprinzenstrasse inspiriert zu nichts. Man braucht sie nur, um zum Parkhauseingang zu kommen. Und man darf nicht stolpern. Ihr Belag! Ach, man mag gar nicht hinsehen. Eine Grundsanierung des Belags, ein Grünstreifen in der Mitte, an dessen beiden Seiten sich der wöchentliche Bücherflohmarkt etablieren könnte, mehr Cafés, bestimmt gibt es viele Ideen, dieses triste Meile entscheidend aufzuwerten.

Aber ein paar Kilometer weg von beiden Enden der Kronprinzenstraße werden mit dem > Gerber und dem neuen Projekt hinter der Stadtbibliothek neue Einkaufszentren gebaut. Funkelnde Glaskästen mit vielen schönen neuen Läden, die die Besucher mit ihren Autos und den leeren Kofferräumen anziehen sollen, derweil die Innenstadt, wenn nichts geschieht, verkommen wird. > > Einkaufzentren sind kein Beitrag zu einer Stadtkultur sondern > eine Hölle für den Bürger.

Der Investor ECE mit > Alexander Otto, dem Vorsitzenden der ECE-Geschäftsführung, hat ein gutes Gewissen. Argumente gegen Shopping-Center sind für ihn Vorurteile: Er listet auf der Website von ECE „Fakten statt Vorurteile“ und will so die Frage beantworten: „Wie sind Shopping-Center heute wirklich und wie können sie zur Belebung der Innenstädte beitragen?“ Er ist sich und seiner Sache sicher, dass mit der Entstehung neuer Center in Innenstädten, der bestehende Einzelhandel bereit ist, seine Infrastruktur aufzuwerten. Andere warnen zu Recht vor dem Unfug neuer Shopping-Center, Otto preist sie als Beitrag zur Innenstadtentwicklung. In Bezug auf Braunschweig schreibt Otto: „Der Passantenaustausch von Center und Innenstadt funktioniert somit hervorragend. Die Besucher der Schloss-Arkaden besuchen auch die Innenstadt und umgekehrt.“ Und wie wird das in dieser Stadt mit dem neuen Shopping-Center hinter der Stadtbibliothek und der Stuttgarter Innenstadt funktionieren?

Man hat in den letzten Jahren oder gar in den beiden letzten Jahrzehnten die Innenstadt schlicht vernachlässigt. Auf der einen Seite trennt die > Hauptstätter Straße, auf der anderen Seite die Theodor-Heuss-Strasse wichtige Stadtviertel hermetisch voneinander ab. Die City wird von vier großen Plätzen, dem Karlsplatz, dem Schillerplatz und dem Rathausplatz geprägt. Eine kontinuierliche Entwicklung der Innenstadt hätten den Einkaufspalästen keine Chance geboten. Nun werden sie gebaut. Immerhin die Seele der Stadt bleibt in der City, denn die Shopping-Center werden mit ihr nichts anfangen können, sie sehen innen wie in Herne, Wuppertal oder sonstwo aus.

Heute im Stuttgarter Literaturhaus:
Silvia Avallone, Ein Sommer aus Stahl

Donnerstag, 26. Mai 2011

Wie gut, dass > Angelo Trippa in unserem Verlagshaus arbeitet! Sonst wäre dieser Roman wahrscheinlich bei Klett-Cotta heute nicht erschienen.

Silvia Avalonne ist heute abend im > Stuttgarter Literaturhaus zu Gast. Hier der Lesebericht zu Ein Sommer aus Stahl.

Angelo Trippa hat den Roman gelesen und Klett-Cotta vorgeschlagen, das Buch in Deutschland rauszubringen. Klett-Cotta hat das Buch geprüft und tatsächlich die Rechte erworben, es übersetzen lassen und jetzt veröffentlicht.

> Ein Sommer aus Stahl
Aus dem Italienischen von Michael von Killisch-Horn (Acciaio, Mailand)
1. Aufl. 2011, 415 Seiten,gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-93898-2